S-09 Verschärfung des AGG jetzt!

Status:
Ablehnung

Der Landesparteitag möge beschließen und an den Bundesparteitag sowie die SPD-Bundestagsfraktion weiterleiten:

Die SPD soll sich für eine sofortige Verschärfung und Überarbeitung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) einsetzen. Dies betrifft insbesondere die Ausweitung des Anwendungsbereichs des AGG auf Kündigungen (mittels einer Streichung des §2 Abs. 4 AGG) sowie die Eingrenzung der Sonderberechtigungen für Arbeitgeber*innen nach §9 AGG (Religion oder Weltanschauung). Letzteres soll vor allem die Benachteiligung von Arbeitnehmer*innen schützen, die aufgrund ihres nicht-christlichen Glaubens bzw. ihrer Konfessionslosigkeit oder ihrer sexuellen Orientierung benachteiligt, entlassen oder nicht eingestellt werden.

Begründung:
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schützt seit 2006 Personen, die einer gesellschaftlichen Minderheit angehören, in verschiedenen Alltagssituationen, so auch am Arbeitsplatz. Es ist damit das einzige explizite Anti-Diskriminierungsgesetz, das momentan in Deutschland gilt. Daher ist es umso erschreckender, welche eklatanten Mängel das AGG in der jetzigen Fassung noch hat. Aufgrund dieser Mängel wird das AGG manchmal auch als „zahnloser Tiger“ bezeichnet. Zunächst findet es nach § 2 Abs. 4 AGG keine Anwendung auf Kündigungen, für diese gelten laut dem AGG „ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz“. Das Bundesarbeitsgericht hat schon in seiner Rechtsprechung beschlossen, dass das AGG auch auf Kündigungen anzuwenden sei. Umso unverständlicher ist es, dass der Gesetzgeber dem bislang nicht gefolgt ist und den Wortlaut geändert hat. Weiterhin läuft seit Januar 2008 aufgrund des fehlenden Kündigungsschutzes ein Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission gegen Deutschland. Auch ermöglicht das AGG kirchlichen bzw. religiösen Arbeitgeber*innen in § 9 AGG, von ihren Arbeitnehmer*innen „ein loyales und aufrichtiges Verhalten im Sinne ihres jeweiligen Selbstverständnisses verlangen zu können“. Die deutsche Bischofskonferenz definiert diese in ihrer „Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse“. Sogenanntes „kirchenfeindliches Verhalten“ umfasst unter anderem das „öffentliche Propagieren von Abtreibung“ sowie weitere, nicht näher definierte „persönliche sittliche Verfehlungen, die nach den konkreten Umständen objektiv geeignet sind, (...) die Glaubwürdigkeit der Kirche zu beeinträchtigen“. Darunter fällt unter anderem öffentliche Kritik an der katholischen Kirche oder ein Austritt aus der Kirche. Zwar hat die deutsche Bischofskonferenz diese Voraussetzungen im April 2015 entschärft. Somit wird eine Wiederheirat von Geschiedenen nicht mehr unter diesem „kirchenfeindlichen Verhalten“ geführt. Auch offen ausgelebte gleichgeschlechtliche Beziehungen werden zumindest nicht mehr explizit genannt; die Handhabung diesbezüglich ist aber unklar. Die Rechtsprechung hat sich in verschiedenen Instanzen auf die Seite der Arbeitnehmer*innen gestellt. So urteilte der EuGH erst kürzlich, am 17.04.2018, daws die Konfession der Arbeitnehmer*innen von kirchlichen Arbeitgeber*innen nicht immer verlangt werden darf, sondern nur in Berufen, in denen dies eine besondere Rolle spielt, also zum Beispiel bei Pfarrer*innen. Auch urteilte das Arbeitsgericht Frankfurt am Main, das eine Kündigung aufgrund einer öffentlich bekannt gewordenen gleichgeschlechtlichen Beziehung nicht zulässig ist. Arbeitnehmer*innen, die aufgrund der o.g. Merkmale von ihren kirchlichen Arbeitgeber*innen benachteiligt werden, haben also durchaus Möglichkeit, sich gegen diese Behandlung zu wehren. Dennoch spiegelt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz diese rechtliche Realität im Moment noch nicht wieder. Auch bedeutet dies für die Geschädigten oftmals zunächst einen langen und anstrengenden Weg durch die Rechtsinstanzen, weshalb sich womöglich nicht jede*r dazu entscheidet, diesen Weg zu gehen. Auch liegt es an den Kirchen selbst, nicht am Gesetzgeber, welche „Loyalitätsvoraussetzungen“ sie von ihren Arbeitnehmer*innen verlangen. Es gibt keinen ersichtlichen Grund, warum dies so bleiben sollte. Deshalb: Schaffen wir eine Gesetzesgrundlage für Arbeitnehmer*innen, die sich gerne und mit voller Überzeugung für ihre kirchlichen Arbeitgeber*innen engagieren würden – als Ärzt*innen, Lehrer*innen, Krankenpfleger*innen, Sozialarbeiter*innen und so weiter – es aber aufgrund verschiedener persönlicher Merkmale, die u.U. rein gar nichts mit ihrem Beruf zu tun haben, dies nicht oder nur eingeschränkt können!
Empfehlung der Antragskommission:
Diskussion durch den Parteitag
Beschluss: des Landesparteirats der SPD Sachsen 30. November 2018
Text des Beschlusses:

Ablehnung

Beschluss-PDF: