K-09 Reform der Polizei Datei "Gewalttäter Sport"

Status:
Annahme

Der Landesparteitag möge beschließen und an den Bundesparteitag weiterleiten:

Die SPD Sachsen strebt, unter folgenden Kritikpunkten, eine Reform der Polizei Datei „Gewalttäter Sport“ an:

  1. Betroffene sind grundsätzlich über die Nutzung ihrer Daten in dieser Datei zu informieren.
  2. Eintragungen in diese Datei erfolgen nur bei Eröffnung eines Strafverfahrens oder infolge einer rechtskräftigen Verurteilung wegen eines Datei spezifischen Straftatbestandes im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen.
  3. Die Löschfristen sind auf maximal 24 Monate zu begrenzen
  4. Die Weitergabe der erfassten Daten ist grundsätzlich nicht zulässig

Zudem sind Daten von Personen, welche rechtskräftig freigesprochen wurden, bei denen die Eröffnung eines Hauptverfahrens unanfechtbar abgelehnt oder das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt wurde, unverzüglich auf deren Antrag hin zu löschen.

Begründung:
Die Datei „Gewalttäter Sport“ ist kein neues Gesicht in der Datenerfassung deutscher Behörden. Sie existiert seit 1994 und ist unter Obhut der Zentralen Informationsstelle Sport (ZIS) im Landeskriminalamt NRW gestellt. Nach Aussage der Bundesregierung dient sie der Verhinderung gewalttätiger Auseinandersetzungen und sonstiger Straftaten im Rahmen von Sportveranstaltungen. Sie umfasst, Stand 27. Dezember 2016, 10.907 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet. Die Notwendigkeit einer Datei, welche den Polizeibehörden dabei hilft Gewalttaten zu verhindern, steht für die Antragssteller außer Frage. Es ergibt sich durch den aktuellen Gebrauch dieser Datenbank jedoch ein gewichtiges Problem: Längst nicht alle Personen in dieser Datenbank sind tatsächlich durch ihr Handeln kriminell in Erscheinung getreten, geschweige denn als Gewalttäter. Die Grundlage für diesen Umstand ergibt sich aus den Kriterien, wann eine Person in dieser Datei geführt werden kann. In der Antwort auf eine kleine Anfrage einiger Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90 Die Grünen im Januar 2017 gab die Bundesregierung zu, dass sich in dieser Datei neben rechtskräftig Verurteilten auch Verdächtige und Beschuldigte wiederfinden. Weitergehend heißt es, dass sogar Platzverweise oder schlicht eine Personalienfeststellung zur Aufnahme in die Datei ausreichen kann1. Einige Kriminologen wie der Bochumer Andreas Ruch schätzen, dass nur jede dritte Person dieser Datei echte*r Gewalttäter*in sei. Auch für Unschuldige können die Folgen einer Aufnahme in diese Datei schreckliche Folgen haben. Der Eintrag in diese Datei ist für alle Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten im Bundesgebiet ersichtlich. Zudem können die Einschnitte ins private Alltagsleben gravierend sein. Einer Person, welche in der Datei „Gewalttäter Sport“ auftaucht, können z.B. private Reisen verboten werden oder es droht eine sogenannte „Gefährderansprache“ im Beisein der Familie oder sogar am Arbeitsplatz. Höchst fragwürdig ist zudem, welche Art von Daten erfasst werden. Bei Stammdaten wie Geburtsdatum, Größe und Augenfarbe bleibt es bei weitem nicht. Fremdsprachen, der letzte Aufenthaltsort, Tätowierungen, Sprachmerkmale, Gruppenzugehörigkeiten und vieles mehr werden ebenfalls erfasst. Diese Sammlung hat Ähnlichkeiten mit der Aufnahme in eine Justizvollzugsanstalt. Für verurteilte Straftäter geht das wohl in Ordnung, jedoch ist der Anteil unschuldiger Personen in dieser Datei alles andere als unerheblich. Gewalt und Sport gehören für uns nicht zusammen. Wer z.B. aus einem Fußballspiel eine Schlacht machen will, Zerstörungswut auslebt oder anderen Menschen Schaden zufügt, der wird zurecht strafrechtlich dafür belangt und zur Verantwortung gezogen. Die Überwachung ganzer Fanszenen, der Generalverdacht für Fans und die Stigmatisierung Unschuldiger, gehören jedoch verboten. Wir Jusos sehen bunte, lebendige und friedliche Fankurven als ein hohes Gut an, welches es zu schützen gilt, ebenso wie die Freiheitsrechte eines jeden Menschen, der/die sich nichts hat zu Schulden kommen lassen. Wir verurteilen Polizeiwillkür und erwarten, dass die SPD diese nicht hinnehmbaren Zustände endlich beendet.
Empfehlung der Antragskommission:
Diskussion durch den Parteitag
Änderungsanträge
Status Kürzel Zeile AntragstellerInnen Text PDF
Annahme ÄA1 zum K-09 2 UB Dresden Zeile 2 Füge am Anfang ein: „Die SPD bekennt sich zu dem Ziel, Gewalt im Umfeld von Sportereignissen zu reduzieren. Die Speicherung von Gewaltstraftätern in der sogenannten Datei „Gewalttäter Sport“ ist dafür grundsätzlich ein geeignetes Mittel, um dieses Phänomen einzudämmen, indem potentielle Gewalttäter frühzeitig erkannt und an Straftaten gehindert werden können.“ Änderungsantrag (PDF)
Annahme ÄA2 zum K-09 4 UB Dresden Zeile 4 Ersetze Satz durch: „2. Eintragungen in diese Datei erfolgen nur bei Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens.“ Änderungsantrag (PDF)
Nicht Abgestimmt ÄA3 zum K-09 7 KV Meißen, Thilo Klemz Zeile 7 Punkt 4 muss durch die Antragsteller getrichen oder aber konkretisiert werden. In der jetzigen Fassung ist die Formulierung nicht praxistauglich, denn wenn die gesammelten Daten nicht von anderen Polizeibehörden genutzt werden können, ist die Datei selbst wertlos. Auch eine Zugriffsberechtigung, bspw. durch die Polizeien der Länder, ist eine Form der Weitergabe. Änderungsantrag (PDF)
Nicht Abgestimmt ÄA4 zum K-09 8 UB Dresden Zeile 8 Füge am Anfang ein: „5.“ Änderungsantrag (PDF)
Beschluss: des Landesparteirats der SPD Sachsen 30. November 2018
Text des Beschlusses:

Die SPD bekennt sich zu dem Ziel, Gewalt im Umfeld von Sportereignissen zu reduzieren. Die Speicherung von Gewaltstraftätern in der sogenannten Datei „Gewalttäter Sport“ ist dafür grundsätzlich ein geeignetes Mittel, um dieses Phänomen einzudämmen, indem potentielle Gewalttäter frühzeitig erkannt und an Straftaten gehindert werden können. Die SPD strebt, unter folgenden Kritikpunkten, eine Reform der Polizei Datei „Gewalttäter Sport“ an:

  1. Betroffene sind grundsätzlich über die Nutzung ihrer Daten in dieser Datei zu informieren.
  2. Eintragungen in diese Datei erfolgen nur bei Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens.
  3. Zudem sind Daten von Personen, welche rechtskräftig freigesprochen wurden, bei denen die Eröffnung eines Hauptverfahrens unanfechtbar abgelehnt oder das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt wurde, unverzüglich auf deren Antrag hin zu löschen.
Beschluss-PDF: