U-1 Mobilität im Wandel

Status:
Überweisung

Die Jusos Sachsen mögen folgenden Antrag beschließen und an den Juso-Bundeskongress, den Landesparteitag und den Bundesparteitag überwiesen werden.

Mobilität verbindet das Land mit der Stadt, Städte untereinander und verwischt die Grenzen zwischen Nationalstaaten. Mobilität ist ein menschliches Bedürfnis, dass zunehmend wichtiger wird und unsere Gesellschaft miteinander verbindet. Wir haben Freundschaften und soziale Kontakte über die ganze Welt verteilt, Arbeiten heute hier und morgen dort, dazu kommt ein Kurzerholungsurlaub im Nachbarland.

Die seit 1990 ergriffenen Maßnahmen haben zu einer deutlichen Reduktion der Emissionen pro Kilometer geführt. Gleichzeitig ist das Verkehrsaufkommen in Deutschland drastisch gestiegen, so dass heute immer noch die gleiche Menge an Kohlenstoffdioxid-Äquivalenten ausgestoßen wird wie 1990.

Unsere Gesellschaft wird immer mobiler und das ist gut so. Jedoch darf diese Mobilität nicht zu Lasten der Umwelt erfolgen. Fossile Brennstoffe dürfen deswegen kein Teil einer zukunftsfähigen Mobilitätsstrategie sein. Sie machen als Energieträger heute immer noch den mit Abstand größten Anteil im Mobilitätssektor aus, obwohl die Folgen des Klimawandels immer klarer und auch sichtbarer werden.

Das eigene Auto ist längst kein Statussymbol mehr. Die Bereitschaft in der Bevölkerung auf das eigene Auto zu verzichten und stattdessen Angebote des öffentlichen Personenverkehrs zu nutzen, wächst rasant. Jedoch müssen dafür die Rahmenbedingungen stimmen: Pünktlichkeit, Geschwindigkeit, Bequemlichkeit & Kosten.

Das Mobilitätsaufkommen steigt überall – bundes-, europa- & weltweit. Damit wachsen auch die Herausforderungen des Verkehrswesens. Parallel ändert sich unser Mobilitätsverhalten und unsere Mobilitätsgewohnheiten. Künftig werden wir nicht mehr mit dem einen Verkehrsmittel – dem Auto – von Start bis Zielort fahren, sondern multimodal mit mehreren Verkehrsmitteln die Reisestrecke überwinden: Mit dem Leihfahrrad zur Haltestelle, von dort mit der Straßenbahn weiter und letztlich mit einem Elektroroller zum Ziel.

Emissionsfreie Mobilität – Jetzt!

Unsere Mobilität muss emissionsfrei werden – sofort. Verkehrsemission machen ein Fünftel der weltweit produzierten Treibhausgase aus. Es ist an der heutigen jungen Generation, den menschengemachten Klimawandel zu bekämpfen und abzuwenden. Es ist an dieser jungen Generation, die Reformen nachzuholen, die in den letzten Jahrzehnten nicht energisch genug vorangetrieben und durchgesetzt wurden. Die Zeit der Bequemlichkeit und der Mobilitätswende ohne Härten ist abgelaufen.

Die Reihung der Prioritäten für unsere Mobilität muss sich ändern: Verkehr muss nun zunächst emissionsfrei sein und möglichst geringe Auswirkungen auf das Ökosystem haben. Alle anderen Aspekte ordnen sich dahinter ein.

Emissionsfreie Mobilität? Das bedeutet weder das Ende des motorisierten Individualverkehrs noch eine dauerhafte Einschränkung unseres Reiseverhaltens. Nichtsdestotrotz wird es dabei zu spürbaren Veränderungen und gegebenenfalls Einschnitten in persönliche Gewohnheiten der Fortbewegung kommen. Mittel bis langfristig werden wir über Forschung & Entwicklung versuchen alte Qualitäten der Fortbewegung wieder zu ermöglichen. Bis dahin werden wir uns auch im Verzicht üben müssen.

Die Mobilitätsreform wird nicht kostenlos sein und kann nur in Zusammenarbeit innerhalb der Europäischen Union und auf der ganzen Welt erfolgen. Als reiche Industrienationen und europäische Wertegemeinschaft werden wir vorangehen und zeigen, dass emissionsfreie Mobilität umsetzbar ist.

Heute politisch getroffene Entscheidungen müssen dabei auf dem aktuellen Stand von Wissenschaft & Forschung basieren, nicht auf erträumten Luftschlössern der Zukunft. Auf absehbare Zeit werden wir durch erneuerbare Energieträger klimaneutral unseren gesamten Bedarf an Elektrizität erzeugen können.  Momentan sieht es danach aus, als ob der Verbrennungsmotor bald der Vergangenheit angehören wird – Konzepte für synthetische Kraftstoffe durch bspw. „Power-to-Liquid“-Verfahren sind weder technisch noch wirtschaftlich für den sofortigen Einsatz geeignet. Im Gegensatz dazu sind weltweit bereits täglich mehrere Millionen Elektroautos unterwegs.

Politisch sind jedoch Einschränkungen und Förderungen auf reiner Technologie-Ebene nicht zielführend. Das umweltpolitische Ziel ist klar: Emissionsfreiheit. Das bedeutet keine Treibhausgase, kein Feinstaub und geringe Lärmbelästigung. Wenn Emissionen produziert werden, muss der Emittent für die Bereinigung herangezogen werden:

  1. Entweder pauschalisiert über Abgaben, die bspw. je Liter Kraftstoff oder je verbrauchter Kilowattstunde – abhängig vom genauen Kraftstoff oder dem jeweiligen Energiemix – erhoben werden. Oder:
  2. Individualisiert auf Basis der technischen Gegebenheiten eines jeden emittierenden Fahrzeugs. Regelmäßig werden die gemittelten Emissionen je zurückgelegten Kilometer über eine entsprechende Reinigungsabgabe abgegolten, die fortlaufend zu einem Stichtag erhoben werden.

Beide Prinzipien lassen sich auf alle Verkehrsträger – zu Luft, zu Wasser, auf der Straße oder auf der Schiene übertragen. Die individualisierte Variante erlaubt zusätzlich die selbstständige Emissionsreinigung. Die Folge ist bei beiden Regelungen klar: Wer mehr Emissionen produziert, wird höhere Abgaben zahlen müssen. Es wird somit lohnenswerter gemeinschaftlich und sauber unterwegs zu sein.

Bodenversiegelung durch Verkehrsflächen

Bundesweit sind in Deutschland je nach Quelle ca. 3-5% der Gesamtfläche durch Verkehrswege (Straßen, Schienen, Start & Landebahnen und Wasserwege) vollständig versiegelt. Seit der Wende sind täglich im Schnitt 20 Hektar zusätzliches Land durch solche Verkehrswege „erschlossen“ worden. Die Bundesregierung hat die Gefahr darin bereits erkannt und versucht die Neuinanspruchnahme von Flächen deutlich zu verringern.

Um die Flächennutzung durch Verkehr bei wachsender Mobilität zu optimieren, muss auf möglichst effiziente Verkehrsträger gesetzt werden. Effizient bedeutet in diesem Fall ein hoher Personendurchsatz je Strecke auf möglich wenig Fläche. Besonders effizient ist hier die Schiene bzw. der öffentliche Nahverkehr – selbst bei geringer Auslastung wird nur ca. ein Drittel der Fläche bei gleichem Personendurchsatz in Anspruch genommen. Dies gilt sowohl für Nah und Fernverkehr. Weniger Bodenversiegelung verursacht nur der Flugverkehr, was jedoch nicht den starken Emissionsausstoß kompensiert.

Falsche Anreize und Subventionen abbauen!

Laut Umweltbundesamt entfielen in Deutschland im Jahr 2012 von den 57 Mrd. Euro umweltschädlichen Subventionen über die Hälfte auf Verkehrssubventionen. Dabei machen wiederum Auto und Flugverkehr mit jeweils ungefähr 12 Mrd. Euro fast den gesamten Anteil aus.

Die beiden jeweils größten zu reformierenden Subventionsmaßnahmen im Auto und Flugverkehr sind:

  • 7,4 Mrd. Euro für Steuervergünstigungen für Dieselkraftstoff – Zur Zeit werden 21,9 ct je Liter Diesel (inkl. Kraftstoff & Mehrwertsteuer) Rabatt gegenüber Benzin gewährt, obwohl Dieselfahrzeuge auf Grund ihres durchschnittlich höheren Gewichts keine Einsparung an CO2 je Kilometer bedeuten.
  • 5,1 Mrd. Euro für Entfernungs- bzw. Pendler*innenpauschale – Statt Anreize zu setzen, dass Erwerbstätige in der Nähe ihrer Arbeitsstätte wohnen, werden Steuernachlässe gewährt. Davon profitieren jedoch nur diejenigen, die überhaupt ein ausreichend hohes Steueraufkommen haben. Außerdem findet die Regelung zu 2/3 Anwendung für die Nutzung eines PKW.
  • 7,1 Mrd. Euro für die vollständige Energiesteuerbefreiung von Kerosin, davon entfallen 0,5 Mrd. Euro für Flüge über innerdeutschem Gebiet und 6,6 Mrd. Euro für Flüge im internationalen Raum. Die Unterscheidung ist wichtig, da die Besteuerung von Kraftstoffen mehreren internationalen Regulierungen unterliegt. Zumindest europaweit kann jedoch eine einheitliche Besteuerung für einen fairen Wettbewerb unter den Verkehrsträgern im europäischen Raum umgesetzt werden.
  • 5,8 Mrd. Euro für die vollständige Mehrwertsteuerbefreiung internationaler Flüge – die Lage gestaltet sich hier ähnlich wie bei der Energiesteuer. Es braucht hier dringend eine europäische Einigung zur einheitlichen Besteuerung ohne Doppelbesteuerung.

Hinzu kommt die kommunale direkte & indirekte Förderung des Baus und Betriebs von kleinen internationalen Flughäfen und Regionalflughäfen. Stattdessen sollten die Kommunen daraufsetzen, eine starke schienengebundene Anbindung an die großen Flugdrehkreuze zu erhalten.

Alle jene umweltschädlichen Subventionen müssen abgeschafft oder reformiert werden: Flugverkehr muss konsequent besteuert werden, Diesel muss anhand von allen Schadstoffen besteuert werden und die Pendler*innenpauschale soll künftig nur noch für klimafreundliche Fortbewegung gewährt werden.

Europaweites Schienennetz und die Rolle der Deutschen Bahn

Um von Prag nach Barcelona zu reisen, wird heute je nach verwendetem Verkehrsmittel eine unterschiedliche Reisedauer benötigt. Mit dem Zug werden 21-25 Stunden benötigt, mit dem Auto 16-17 Stunden und mit dem Flugzeug inkl. Sicherheitskontrolle & Gepäckabholung sowie An & Abreise zum Flughafen 5-7 Stunden. Genau konträr verhält es sich mit den Emissionen: Das Flugzeug ist mit Abstand am umweltschädlichsten, während mit dem Zug zumindest theoretisch Emissionsfreiheit garantiert werden kann.

Anhand dieses eindrücklichen Beispiels wird deutlich, dass bei der europäischen Mobilität der Ausbau auf der Schiene bislang verschlafen wurde. Ist der Zugverkehr im innerdeutschen Raum im Punkt Gesamtreisezeit in der Regel gegenüber dem Flugzeug konkurrenzfähig – durch bessere Lage, höhere Taktung und ein dichtes Netz. Auch im innereuropäischen Verkehr wäre eine Reisezeit für die Strecke Barcelona-Prag von 8-10h realistisch.

Dem entgegen stehen Förderprogramme der Europäischen Union, die den Streckenausbau nur bis 160 km/h Geschwindigkeit fördern und konkurrierende Eisenbahnunternehmen, deren Fahrpläne nicht aufeinander getaktet sind. Hinzu kommt eine europaweit und insbesondere in Osteuropa unzureichend gepflegte Schieneninfrastruktur. Neu aufgelegte Förderprogramme der EU und bilateralen Kooperationsverträgen zwischen Nachbarländern müssen den Auf- & Ausbau des innereuropäischen Höchstgeschwindigkeitsnetz bei höheren Maximal- & Durchschnittsgeschwindigkeiten stärker in den Fokus nehmen.

Der Nachtverkehr auf der Schiene ist eine wichtige zusätzliche Komponente der Personenbeförderung und der effizienten Streckenausnutzung. Deswegen ist dieser insbesondere auf Langstrecken als Alternative zum Flugverkehr auf europäischer Ebene auszubauen bzw. zu entwickeln.

Ins europaweite Schienennetz sind erhebliche Investitionen zu tätigen – obwohl sich diese erst nach Jahrzehnten auszahlen werden. Im deutschen Netz sind noch heute Brücken aktiv, die vor über 100 Jahren gebaut wurden. Investitionen ins Schienennetz sind langfristige Investitionen in die Zukunft und Investitionen in den Klimaschutz.

Ein Schienennetz ist ein natürliches Monopol, welches durch die europäische Union bzw. eine Institution dieser betrieben werden muss, da ein Wettbewerb in diesem Bereich nicht möglich ist. Auf diesem europäischen Schienennetz können dann unterschiedliche Anbieter in Personen- und Güterverkehr unterschiedliche Strecken anbieten und entsprechend der Nutzungsintensität Gebühren zum Strukturerhalt zahlen. Alternativ ist zusätzlich in Betracht zu ziehen, die europäischen Eisenbahngesellschaften unter einem Dach zu bündeln, um komplizierte Preismodelle zu vermeiden und zusätzlich Skaleneffekte zu erzielen. Außerdem könnten so Hürden beim grenzüberschreitenden Verkehr abgebaut und das Konzept der EuroCity-Linien ausgebaut werden.

Mittelfristiges Ziel muss es sein, dass das Schienennetz (ca. 11%) ausreichend Kapazität aufgebaut hat, um die Straße (ca. 49%) als führenden Verkehrsträger im Güterverkehr abzulösen. Besonders absurd erscheint vor dem Hintergrund, dass das deutsche Staatsunternehmen „Die Deutsche Bahn“ 2/3 ihres Gütertransports über die Straße abwickelt.

Im Personenfernverkehr muss das mittelfristige Ziel sein, dass Großstädte zu ihren Nachbarstädten min. im Stundentakt angebunden werden. Der gleiche Takt gilt für die Anbindung der Mittelzentren an ihre jeweiligen Oberzentren und Unterzentren an ihre jeweiligen Mittelzentren. Eine enge Taktung und kurze Reisezeiten bringen Regionen dichter zusammen. Wichtig für die Fahrpläne der Eisenbahnunternehmen ist an dieser Stelle auch die Taktung von Fernverkehr auf Regional- & Nahverkehr sowie schienenungebundenen ÖPNV.

Fernbusse als Alternative zur Schiene?

Der schwarzgelben Bundesregierung haben wir eine Liberalisierung des Fernbusmarktes seit 2013 zu verdanken. Mit Versprechen eines grünen und günstigen Fernverkehrs wurde somit ein groß angelegter Angriff auf die Deutsche Bahn gestartet. Stattdessen wurde schnell klar, dass das Geschäftsmodell vor allem aus Lohndumping bestand und die angenommene Auslastung bei weitem nicht erreicht wurde. Zusätzlich unterstützt wird der Preiskampf der Fernbusunternehmen gegenüber der Deutschen Bahn durch eine gebühren- und mautfreie Nutzung von Straßen während die Nutzung der Schiene durch sogenannte Trassenpreise nicht kostenlos ist. Aus der anfänglichen Konkurrenz und Goldgräber*innen-Stimmung aus dem Fernbusmarkt haben sich inzwischen mono- bzw. oligopolitische Strukturen entwickelt, die vor allem auf den rentablen Strecken zwischen Großstädten die positiven Skalen und Netzwerkeffekte der Deutschen Bahn mindern. Hinzu kommt, dass die Umweltbilanz der Fernbusse zu keinem Zeitpunkt mit dem Schienenverkehr mithalten konnte.

Um den Karren nun wieder aus dem Dreck zu ziehen, müssen neben der Rücknahme der bereits genannten Dieselsubventionen zumindest vergleichbare Gebühren für die Straßennutzung durch Fernbusse erhoben werden.

Einerseits Verkehrskollaps in der Innenstadt der Großstadt…

Unsere Mobilität steht nicht nur bei der Produktion von Treibhausgasen vor Herausforderungen. In Städten wird gerade das Auto zum zunehmenden Problem und führt bereits heute in einigen Großstädten zum Verkehrskollaps – Stau, Unfälle und niedrige Reisegeschwindigkeit sind die Folge.

Europaweit wächst die Stadtbevölkerung und die Landbevölkerung schrumpft. Die Folge sind immer größere Städte mit immer größerem Verkehrsaufkommen. Auf der einen Seite ist die innerstädtische Fortbewegung ein Stück der lokalen Lebensqualität. Auf der anderen Seite sind Abgase, Lärm und Gefahren durch den Verkehr eine Einschränkung eben dieser Lebensqualität.

Die Zukunft der innerstädtischen Mobilität kann nicht die dritte & vierte Autospur auf den Hauptverkehrsmagistralen sein. Stattdessen werden multimodale Konzepte, die verschiedene Verkehrsträger miteinander verbinden, in den Vordergrund treten. In diesen Konzepten werden Fußgänger*innen, Fahrräder, Kleinstelektrofahrzeuge und die Elemente des öffentliche Personennahverkehr deutlich in den Vordergrund treten, sodass die Überwindung einer Strecke nicht mehr nur mit einem Verkehrsmittel bewältigt wird. Hinzu kommt eine neue Konzeption der Besitzverhältnisse, längst ist das Auto nicht mehr das eine Statussymbol und wird durch die gemeinschaftliche Nutzung in Form von Sharing-Konzepten abgelöst.

Eine Umstellung des städtischen Verkehrswesens besteht jedoch nicht nur aus dem Ausbau & Ermöglichung der multimodalen Konzepte, sondern auch in der Einschränkung des motorisierten Individualverkehrs zur Steigerung der Attraktivität des Stadtlebens und Erhöhung der Sicherheit im städtischen Verkehr. Zurzeit ist das Auto mit durchschnittlich 27 km/h m Stadtverkehr noch das schnellste Verkehrsmittel und ÖPNV & Radverkehr sind mit im Schnitt 18-20 km/h spürbar langsamer bzw. weniger attraktiv.

Multimodale Sharing Konzepte benötigen Platz in der Stadt. Sharing Konzepte benötigen öffentlich zugängliche Stellflächen, an denen intermodale Mobilitätspunkte für den Umstieg zwischen den unterschiedlichen Verkehrsmitteln entstehen können – begleitet von einer moderaten Politik gegenüber „wild“ geparkten Leihfahrrädern oder Leihrollern. Dafür können insbesondere bisherige Parkplatzflächen umgewidmet und aufgewertet werden. Im Weiteren benötigen die neuen Verkehrsmittel Platz für ihre Nutzung, bspw. beidseitig befahrbare Radwege auf beiden Straßenseiten, reine Fahrradstraßen, Busspuren, Straßenbahngleise oder ähnliches – dafür werden bisherige Autospuren weichen müssen.

Gerade um größere Bauprojekte wie eine neue Straßenbahn, S-Bahn oder U-Bahn-Linie in der Stadt umzusetzen, gehen schnell Jahrzehnte ins Land. Hier müssen vereinfachte Zulassungs- und Planungsverfahren erlaubt werden, um einen schnelle Verkehrswende überhaupt erst möglich zu machen.

Die eingesetzten Fahrzeugtypen müssen sich im multimodalen Konzept verändern: Durch die zunehmende Präsenz von Fahrrädern & elektrischen Kleinstfahrzeugen benötigen diese selbstverständlich ausreichende Transportflächen im öffentlichen Nahverkehr.

Große Straßen für den Durchgangsverkehr müssen konsequent um die Stadt herumgeführt werden – entgegen dem häufigen Irrtum profitieren Städte durch durchfahrenden Autoverkehr weder im Bereich des Tourismus noch im Bereich des Einzelhandels, stattdessen bleiben Abgase, Lärm und eine sinkende Stadtqualität.

Autofahrten im Wohngebiet machen in der Regel nur einen Bruchteil der Reisestrecke aus. Eine konsequente Reduzierung der Maximalgeschwindigkeit auf 20 km/h verlängert die Reisezeit also nur unwesentlich, gleichzeitig steigt die Sicherheit und der Kraftstoffverbrauch sinkt. Außerdem wird so verhindert, dass moderne Navigationssysteme den Verkehr auf vermeintlich schnellere Routen durch Wohngebiete führen.

Je weniger Parkplätze in der Innenstadt vorhanden sind, umso mehr Menschen werden auf andere Verkehrsmittel umsteigen, um in das Stadtinnere zu gelangen. Mit einer effizienten Parkraumbewirtschaftung, Umwidmung von Stellflächen für Sharing Konzepte und dem gezielten Rückbau von Stellplätzen kann der Autoverkehr effektiv verringert werden und gleichzeitig eine Einnahmequelle für die Stadt geschaffen werden.

Eine lebenswerte Stadt der Zukunft hält den motorisierten Individualverkehr soweit wie möglich aus der Stadt heraus, bei sinnvollen Ausnahmen für Liefer- & Anwohner*innenverkehr sowie Einsatzfahrzeuge.

… und andererseits fehlende Fortbewegungsmöglichkeiten auf dem Land?

Während die Großstädte mit dem Verkehrskollaps kämpfen, ist im ländlichen Raum das Auto häufig das einzige adäquate Fortbewegungsmittel. Wenn überhaupt ein Bus durchs Dorf fährt, ist dies entweder der Schulbus oder die einzige Verbindung des Tages. Besonders tragisch für jene, die kein Auto oder Führerschein haben: Jugendliche, Witwen oder Menschen mit geringem Einkommen.

Dies ist die Folge einer von der Autoindustrie getriebenen Politik der letzten Jahrzehnte: Bahnhöfe und ganze Schienenstreckenabschnitten wurden zurückgebaut und müssen jetzt mühsam wiederaufgebaut werden.

Nichtsdestotrotz greifen hier ähnliche Maßnahmen wie in der Stadt:

  • Ausbau der Radwege entlang der Landstraßen,
  • Reduzierung der Höchstgeschwindigkeiten außerorts auf 70km/h,
  • Umsetzung eines Tempolimits auf Autobahnen bei 130 km/h oder
  • die Verdichtung des Nahverkehrstaktes mit Kleinbussen oder Linientaxis sowie
  • die garantierte Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr.

Häufig müssen nur wenige Kilometer bzw. die „letzte Meile“ bis zur nächsten regelmäßig bedienten Haltestelle überwunden werden.

Wer zahlt?

Klima und Umweltschutz sind genauso gemeinschaftliche gesellschaftliche Ziele wie die Steigerung der Qualität des Stadtlebens. Entsprechend ist auch eine sich nicht verursacher*innengerechte Finanzierung bestimmter Verkehrsträger zu rechtfertigen. Während dies bei der künftigen Emissionsvermeidung zentrales Element werden soll, sind öffentlicher Nahverkehr oder die Etablierung, Verbreitung & Nutzung von klimaneutralen Sharing Konzepten staatlich zu subventionieren, so dass eine gesellschaftliche Teilhabe für alle erfolgen kann – unabhängig von körperlichen, finanziellen oder sonstigen Einschränkungen.

Nun besteht die Gefahr, dass bei einem besonders günstigen oder gar gebührenfreien Nahverkehr nicht nur Nutzer*innen des motorisierten Individualverkehrs den Umstieg wagen, sondern auch Fußgänger*innen und Radfahrer*innen. Dieses Risiko ist jedoch vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Teilhabe akzeptabel.

Im Falle eines gebührenfreien Nahverkehrs besteht zusätzlich die Möglichkeit auf komplexe Ticketsysteme zu verzichten, welche Zugangsbarrieren darstellen. Hinzu kommen Kostensenkungen bei Schaffner*innen und dem Ticketverkauf.

Im Fernverkehr sollten wir uns vom Tarifdschungel aus Sparpreis, Super Sparpreis und unterschiedlichen BahnCards verabschieden. Dies schafft ein intransparentes Preismodell, welches die empfangene Leistung kaum widerspiegelt und grade Wenignutzer*innen abschreckt. Gleichzeit werden beim Flexpreis schwindelerregende Höhen erreicht, die selbst für Menschen mit „normalem“ Einkommen kaum bezahlbar sind.

Kinder sind eine gesellschaftliche Aufgabe und sollten auch im Punkt der Mobilität nicht zur Schuldenfalle für die Eltern werden: Schulpflichtige Kinder müssen generell kostenlos im Fernverkehr fahren können. Im Weiteren sollte das Preismodell im Fernverkehr bis zu einem Maximalpreis stärker an die Entfernung gekoppelt werden. Davon unbeschadet bleibt die Lenkung von Fahrgastströmen durch steigende Preise bei steigender Auslastung. Eine Unterscheidung in 1. & 2. Klasse ist in Zukunft nicht mehr notwendig.

Neue & innovative Verkehrsmittel

Elektrofahrrad, E-Scooter, Pedelec, Segway, Hoverboard, … – In den letzten Jahren sind immer neue Innovationen der Fortbewegung auf den Markt gekommen. Manche davon sind massentauglicher, andere weniger. Gemeinsam ist ihnen jedoch der problematische Umgang durch den deutschen Gesetzgeber. Sind Elektroroller zu Beginn des Jahres noch gar nicht legal einsetzbar, werden sie nun vergleichsweise stark reglementiert für den deutschen Verkehrsraum zugelassen. Europaweit gibt es unterschiedliche Regelungen – Probleme & Verwirrung für Hersteller*innen und Verbraucher*innen werden so nicht ausbleiben.

So sehr eine Befreiung von der Führerscheinpflicht für die meisten dieser Elektrokleinstfahrzeuge zu begrüßen ist, umso mehr scheiden sich die Geister an der Begrenzung der Maximalgeschwindigkeit. Die maximal zulässige Höchstgeschwindigkeit wird voraussichtlich 20 km/h betragen, im Nachbarland Österreich werden es 25 km/h, in den USA sogar bis zu 32 km/h. Erscheint eine Abstufung nach Alter der*s Fahrer*in und unterschiedlichen Nutzungsorten – Fußgänger*innenzone, Fußweg, Radweg, oder Straße – sinnvoll, ist eine pauschale Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit auf 20 km/h sehr konservativ.

Um die multimodalen Verkehrskonzepte sinnvoll unterstützen zu können, wäre es besser sich an den Grenzwerten aus der USA oder zumindest unseren europäischen Nachbarn zu orientieren. Gegebenenfalls kann für das Führen von Kleinstfahrzeugen mit höheren Geschwindigkeiten zusätzlich ein Mofa-Führerschein notwendig sein.

Nichtsdestotrotz werden Elektrokleinstfahrzeuge in Verbindung mit Sharing Konzepte insbesondere für den innerstädtischen Verkehr und zur Überwindung der letzten Meile ein wichtiger Grundpfeiler bilden.

Digital first?

Eine der größten Chancen in der Mobilität der Zukunft bildet die Digitalisierung. Multimodale Konzepte werden noch flexibler und können auf kurzzeitige Einflüsse wie Verfügbarkeitsmangel oder Streckensperrungen reagieren. Mit automatisierten Routenberechnungen kann zu jedem Zeitpunkt – unter Beachtung städtebaulicher Planungen – stets die schnellste Route gefunden werden.

Ein weiterer großartiger Aspekt der digitalen Mobilität bildet das autonome Fahren – sowohl im Auto als auch im Zug. Die Chancen sind riesig bzgl. Qualität, Geschwindigkeit, Sicherheit, Kosten & Verfügbarkeit. Von politischer Seite muss zügig ein gesetzlicher Rahmen geschaffen werden, der das autonome Fahren europaweit einheitlich regelt und ermöglicht. Dabei gilt es technische Möglichkeiten, Haftungsfragen und Gefahren auszuloten:

  • Wenn es auch häufig herangeführt wird, ist eine Aufhebung der Netzneutralität für den sicheren autonomen Verkehr in keiner Weise notwendig und bringt auch keine nennenswerten Vorteile.
  • Obwohl es bei komplexen Systemen schwierig ist, ist völlig klar, dass Hersteller*innen für ihre Produkte garantieren und haften müssen. Das heißt bei Unfällen müssen versagende Komponenten gefunden werden, zugehörige Hersteller*innen zur Verantwortung gezogen werden und die identifizierten Komponenten optimiert werden. In der Regel wird es dabei um fahrlässige Handlungen gehen.
  • Die Welt besteht nicht nur aus Trolley-Problemen. In der realen Praxis kommen sie praktisch nicht vor. Die Vorteile bei der sonstigen Unfallvermeidung überwiegen die Nichtentscheidbarkeit dieser Probleme derart, dass sie den Vormarsch der autonomen Mobilität nicht bremsen sollten.
  • An autonomen Fahrzeugen hängen Leben. Es handelt sich also um eine besonders kritische digitale Infrastruktur. Es ist somit gesetzlich sicherzustellen, dass gewisse IT-Sicherheitsmindeststandards eingehalten werden: von eigenen Sensoren gemessene Daten haben eine höhere Relevanz als externe empfangene Daten, Multimedia-Systeme sind von fahrzeugrelevanten Systemen strikt zu trennen, Updates dürfen nur in „sicherer“ Umgebung nach umfangreicher Testung eingespielt werden.

Trotz der großen Vorteile der digitalen Mobilität beinhaltet gerade die kaum vermeidbare Erfassung von Geo- und Bewegungsdaten im Rahmen der Digitalisierung der Mobilität große Gefahren. Faktisch wird klar, wer – wann – wo – mit wem – wie lang unterwegs war. Trotz der gegebenen Schwierigkeiten müssen Konzepte entwickelt werden, die weiterhin die anonyme, freie und unabhängige Fortbewegung durch den öffentlichen Raum ermöglichen – nur die Codierung mit einem Pseudonym bringt hier keine Vorteile. Unterstützend wirken dabei Abo oder Flatrate-Modelle, da so keine zeitscharfe Abrechnung von Mobilitätsleistungen notwendig wird. Wichtig ist nur, wo sich die jeweiligen Fahrzeuge befinden und ob sie gerade verliehen sind. Nicht relevant ist, wer sie benutzt hat – es erfolgt also keine Personenprüfungen, sondern eine Berechtigungsprüfung.

Fazit

Unsere Mobilität wächst und sie steht vor Herausforderungen – lösbaren Herausforderungen. Die Zukunft der klimaneutralen Mobilität baut auf gemeinsam genutzten Verkehrsmitteln – entweder gleichzeitig klassisch in Bus & Bahn oder modern durch Sharing-Konzepte – auf.

Folgende Ziele & Maßnahmen müssen zwingend Teil eines Konzepts für die Mobilität der Zukunft sein:

  • Emissionsfreie Mobilität,
  • Verursacher*innengerechte Abgabe für Schadstoff Emittenten,
  • Verhinderungen zusätzlicher Versiegelung durch Verkehr, Freigabe von Versiegelung durch den Rückbau von Straßen bzw. effizientere Nutzung von versiegelten Flächen von gemeinschaftlich genutzten Verkehrsträgern, insbesondere durch Schienenverkehr,
  • Förderung & Ausbau europaweiter Mobilität, insbesondere im Schienenverkehr
  • Straßennutzungsgebühren für Fernbusse,
  • Rückbau von direkten und indirekten klimaschädlichen Subventionen,
  • Finanzielle Ausstattung und Förderung von multimodalen Verkehrskonzepten,
  • Bereitstellung & Umwidmung von Flächen für Sharing Konzepte,
  • Anbindung des ländlichen Raums,
  • Sozialer Ausgleich und transparente Preissysteme für Personenverkehr,
  • Liberale Förderung \& Zulassung von innovativen Verkehrsträgern, wie zurzeit Elektrokleinstfahrzeuge,
  • Schaffung eines gesellschaftlichen, technologischen \& rechtlichen Rahmen für autonome Fahrzeuge und
  • Sicherung der anonymen, freien und unabhängigen Fortbewegung in der digitalisierten Welt.

 

 

Änderungsanträge
Status Kürzel Zeile AntragstellerInnen Text PDF
Nicht Abgestimmt ÄA1 zum U-1 1-263 Jusos Leipzig Verschieben von Zeile 1-263 in Begründung. Änderungsantrag (PDF)
Nicht Abgestimmt ÄA5 zum U-1 135 Jusos Leipzig Streichung des angefangen und nicht beendeten Satzes in Zeile 135 Änderungsantrag (PDF)
Nicht Abgestimmt ÄA2 zum U-1 41 Jusos Chemnitz Ergänze nach Zeile 41: "Damit Elektromobilität ihren Zweck aber nicht verfehlt, muss bei der Förderung der notwendigen Rohstoffe (z.B. Lithium) auf eine sozial- und umweltfreundliche Förderung geachteten." Änderungsantrag (PDF)
Nicht Abgestimmt ÄA6 zum U-1 193-213 Jusos Leipzig Ersetze in den Zeilen 193-213 „Wer soll … Neue & innovative“ durch: „Die Verkehrswende – als Teil der Energiewende – ist Teuer. Wir wollen sie sozial ausgewogen finanzieren. Daher wollen wir alle klimaschädlichen Subventionen im Verkehrssektor streichen, klima- und umweltschädliche Emissionen stärker besteuern, sowie indirekte Nutznießer*innen von umweltverträglicher Mobilität in die finanzielle Verantwortung nehmen. Die so entstehenden Mittel wollen wir für die Verkehrswende einsetzen. D.h. die Verkehrswende geht alle an und muss von allen getragen werden.“ Änderungsantrag (PDF)
Nicht Abgestimmt ÄA3 zum U-1 47-49 Jusos Leipzig Streichen der Zeilen 47-49 Änderungsantrag (PDF)
Nicht Abgestimmt ÄA4 zum U-1 82 Jusos Leipzig Am Beginn von Zeile 82 einfügen: „Darüber hinaus benötigen wir konsequente Sofortmaßnahmen, die nicht durch Anreize, sondern nur durch Verbote durchgesetzt werden können. Daher fordern wir den Verbot von allen Flügen die unter 500 KM Distanz aufweisen sowie sofortige Schließung von unbedeutenden Regionalflughäfen, wie z.B. Kassel-Calden oder Dresden.“ Änderungsantrag (PDF)