V-2 Mobilität im Wandel

Status:
Annahme mit Änderungen

Die Jusos Sachsen mögen folgenden Antrag beschließen und an den Juso-Bundeskongress, den Landesparteitag und den Bundesparteitag überwiesen werden:

Mobilität verbindet das Land mit der Stadt, Städte untereinander und verwischt die Grenzen zwischen Nationalstaaten. Mobilität ist ein menschliches Bedürfnis, dass schon immer wichtig war und unsere Gesellschaft verbindet – wir haben Freundschaften und soziale Kontakte in der ganzen Welt, Arbeiten heute von hier und morgen von dort, dazu kommt ein Kurzerholungsurlaub im Nachbarland.

Unsere Gesellschaft wird immer mobiler und das ist gut so. Jedoch darf Mobilität nicht zu Lasten der Umwelt und der Lebensqualität erfolgen. Mit dem Klimaabkommen von Paris und dem Klimaschutzplan 2050 verpflichteten wir uns zur Treibhausgasneutralität. Doch gerade unser Verkehrssektor hinkt diesen Versprechen hinterher – die Emissionen auf unseren Straßen haben sich seit 1990 nicht verringert, sondern sind angestiegen. Dies liegt auch an der Bedeutung von fossilen Brennstoffen im Energiemix des Verkehrswesens; klimaschädliche Kraftstoffe werden aber keinen Platz in einer zukunftsfähigen Mobilitätsstrategie finden können.

Die Bedeutung des PKW wird sich damit verändern müssen: Viele Menschen überdenken die Rolle des eigenen Autos als Statussymbol bereits. Daneben wächst die Bereitschaft der Bevölkerung auf das eigene Auto zu verzichten und stattdessen Angebote des öffentlichen Personenverkehrs zu nutzen, stetig. Jedoch müssen dafür die Rahmenbedingungen stimmen: Pünktlichkeit, Geschwindigkeit, Bequemlichkeit und angemessene Preise sind Schlüsselfaktoren der postfossilen Mobilität.

Neben wachsendem Verkehrsaufkommen ändern sich unser Mobilitätsverhalten und unsere Mobilitätsgewohnheiten. Künftig werden wir nicht mehr mit dem einen Verkehrsmittel – dem Auto – von Start bis Zielort fahren, sondern multimodal mit mehreren Verkehrsmitteln die Reisestrecke überwinden: Mit dem Leihfahrrad zur Haltestelle, von dort weiter auf der Schiene  und letztlich mit einem Elektroroller zum Ziel.

Emissionsfreie Mobilität – Jetzt!

Unsere Mobilität muss emissionsfrei werden – sofort! Verkehrsemission machen ein Fünftel der weltweit produzierten Treibhausgase aus. Es ist an der heutigen jungen Generation, den menschengemachten Klimawandel zu bekämpfen und abzuwenden. Es ist an dieser jungen Generation, die Reformen nachzuholen, die in den letzten Jahrzehnten nicht energisch genug vorangetrieben und durchgesetzt wurden. Die Chance einer Mobilitätswende ohne Härte haben wir verpasst. Die Zeit der Bequemlichkeit ist abgelaufen.

Dabei müssen sich unsere Prioritäten ändern: Verkehr muss in erster Linie emissionsfrei und mit möglichst kleiner Umweltwirkung erdacht werden. Danach wird es unsere Aufgabe sein die Vielschichtigkeit des Themas in einer zukunftsfähigen Mobilitätsstrategie zu verankern. Emissionsfreie Mobilität? Das bedeutet weder das Ende des motorisierten Individualverkehrs noch eine dauerhafte Einschränkung unseres Reiseverhaltens. Nichtsdestotrotz wird es dabei kurzfristig spürbare Veränderungen und Einschnitten in unsere gewohnten Fortbewegungsmustern geben. 

Es sieht danach aus, als ob der Verbrennungsmotor bald der Vergangenheit angehören wird – Länder wie Norwegen und Schweden haben schon heute den zeitnahen Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor beschlossen. Dank Neuzulassungsquoten von bis zu 50% tragen die skandinavischen Länder ihren Teil dazu bei, dass weltweit bereits täglich Millionen Elektroautos unterwegs sind. Doch auch hier zeigt sich die Vielschichtigkeit der zukünftigen Mobilität: Damit Elektromobilität ihren Zweck nicht verfehlt, muss bei der Förderung der notwendigen Rohstoffe (z.B. Lithium) und bei der Umsetzung der Verkehrswende zwingend auf eine soziale und umweltfreundliche Ausgestaltung geachtet werden.

Die anstehende Mobilitätsreform kann nur schwer kostenneutral vollzogen werden und nur durch Integration auf europäischer und globaler Ebene gelingen. Als reiche Industrienationen und europäische Wertegemeinschaft müssen wir nicht nur im internationalen Klimawettbewerb voranschreiten und das Zeitalter der postfossilen Mobilität ausrufen, sondern ebenfalls dafür Sorge tragen, dass ein*e Jede*r teilhaben kann. Die Kosten des Wandels dürfen nicht auf den Ärmsten lasten, sondern müssen sozial gerecht auf den starken Schultern unserer Gesellschaft aufgeteilt werden. Die Bedürfnisse von Stadt und Land müssen gleichermaßen berücksichtigt werden und auch das Mobilitätsverhalten verschiedener Bevölkerungsgruppen muss in unsere zukünftige Mobilitätsstrategie  Platz finden.

Unter Berücksichtigung all dieser Aspekte ist unser umweltpolitisches Ziel klar: Emissionsfreiheit. Das bedeutet keine Treibhausgase, kein Feinstaub und geringe Lärmbelästigung. Bei Emissionen kann nur das Verursacherprinzip gelten – wer Umwelt und Gesellschaft Schaden zufügt, der muss auch dafür zahlen:

  1. Entweder pauschalisiert über Abgaben gemäß des Äquivalenzprinzips auf den jeweiligen Energieträger
  2. Individualisiert auf Basis des Verursacherprinzips über eine entsprechende Reinigungsabgabe abgegolten, die fortlaufend zu einem Stichtag erhoben werden.

Beide Prinzipien lassen sich auf alle Verkehrsträger – zu Luft, zu Wasser, auf der Straße oder auf der Schiene übertragen. Die zweite, individualisierte Variante erlaubt zusätzlich die selbstständige Emissionsreinigung. Die Folge ist bei beiden Regelungen klar: Wer mehr Emissionen produziert, wird höhere Abgaben zahlen müssen. Es wird somit lohnenswerter gemeinschaftlich und sauber unterwegs zu sein.

Bodenversiegelung durch Verkehrsflächen

Bundesweit sind in Deutschland je nach Quelle ca. 3-5% der Gesamtfläche durch Verkehrswege (Straßen, Schienen, Start- & Landebahnen und Wasserwege) vollständig versiegelt. Seit der Wende sind täglich im Schnitt 20 Hektar zusätzliches Land durch solche Verkehrswege „(v)erschlossen“ worden. Die Bundesregierung hat die Gefahr darin bereits erkannt und versucht die Neuinanspruchnahme von Flächen deutlich zu verringern.

Um die Flächennutzung durch Verkehr bei wachsender Mobilität zu optimieren, muss auf möglichst effiziente Verkehrsträger gesetzt werden. Effizient bedeutet in diesem Fall ein hoher Personendurchsatz je Strecke auf möglichst wenig Fläche. Besonders effizient ist hier die Schiene bzw. der öffentliche Nahverkehr – selbst bei geringer Auslastung wird nur ca. ein Drittel der Fläche bei gleichem Personendurchsatz in Anspruch genommen. Dies gilt sowohl für Nah- und Fernverkehr. Weniger Bodenversiegelung verursacht nur der Flugverkehr – abgewogen gegenüber dem starken Emissionsausstoß,  ist dies jedoch keine sinnvolle Alternative.

Falsche Anreize und Subventionen abbauen!

Laut Umweltbundesamt entfielen in Deutschland im Jahr 2016 von den 57 Mrd. Euro umweltschädlichen Subventionen über die Hälfte auf Verkehrssubventionen.

Dabei machen Subventionen für Auto- und Flugverkehr mit jeweils ungefähr 12 Mrd. Euro einen Löwenanteil dieser Bevorzugung aus. Wir fordern insbesondere die Abschaffung bzw. Reform der folgenden Subventionen:

  • 7,4 Mrd. Euro für Steuervergünstigungen für Dieselkraftstoff – Zur Zeit werden 21,9 ct je Liter Diesel (inkl. Kraftstoff & Mehrwertsteuer) Rabatt gegenüber Benzin gewährt und auch andere, weniger umwelt- gesundheitsschädliche Technologie, im Wettbewerb benachteiligt
  • 5,1 Mrd. Euro für Entfernungs- bzw. Pendler*innenpauschale – Statt Anreize zu setzen, in der Nähe der Arbeitsstätte zu wohnen oder umweltschonend zu pendeln, profitieren vor allem Gutverdiener*innen und PKW-Nutzer*innen von der steuerlichen Bevorzugung
  • 7,1 Mrd. Euro für die vollständige Energiesteuerbefreiung von Kerosin (davon 0,5 Mrd. Euro für Flüge im nationalen & 6,6 Mrd. Euro im internationalen Raum) – trotz international ungleicher Besteuerung und Regulierung, muss zumindest eine europäische Antwort gegen unfairen Wettbewerb zwischen den Verkehrsträgern gegeben werden
  • 5,8 Mrd. Euro für die vollständige Mehrwertsteuerbefreiung internationaler Flüge – die Lage gestaltet sich hier ähnlich wie bei der fehlenden Kerosinsteuer: es braucht  dringend eine globale, zumindest aber europäische Lösung ohne Doppelbesteuerung.

Hinzu kommt die direkte & indirekte Förderung des Baus und Betriebs von kleinen, meist unprofitablen internationalen Flughäfen und Regionalflughäfen. Stattdessen sollten die Kommunen dabei unterstützt werden, eine starke schienengebundene Anbindung an die großen Flugdrehkreuze zu erhalten. 

Die Notwendigkeit von Flügen mit Distanzen unter 500 km muss überdacht werden. Neben der Option eines strikten Verbots und den damit verbundenen Ausweichreaktionen (Flugreise über das Ausland & Umwege), muss sich der Klimaschaden von Flugreisen konsequent in Ticketpreisen widerspiegeln – denn die Kosten von Flugreisen spiegeln nicht den ökologischen und gesellschaftlichen Schaden wider, den sie verursachen.

Wir müssen uns dafür einsetzen, dass alle umweltschädlichen Subventionen abgeschafft oder reformiert werden: Klimaschädlichen Kraftstoffen und Fortbewegungsmitteln darf kein staatlich geförderter Vorteil zu Ungunsten der Ökologie gewährt werden! 

Europaweites Schienennetz und die Rolle der Deutschen Bahn

Um von Prag nach Barcelona zu reisen, wird heute je nach verwendetem Verkehrsmittel eine unterschiedliche Reisedauer benötigt. Mit dem Zug werden 21-25 Stunden benötigt, mit dem Auto 16-17 Stunden und mit dem Flugzeug inkl. Sicherheitskontrolle & Gepäckabholung sowie An- & Abreise zum Flughafen 5-7 Stunden. Genau konträr verhält es sich mit den Emissionen: Das Flugzeug ist mit Abstand am umweltschädlichsten, während mit dem Zug zumindest theoretisch Emissionsfreiheit garantiert werden kann.

Es wird deutlich, dass bei der europäischen Mobilität der Ausbau auf der Schiene bislang verschlafen wurde. Ist der Zugverkehr im innerdeutschen Raum im Punkt Gesamtreisezeit in der Regel gegenüber dem Flugzeug konkurrenzfähig – durch bessere Lage, höhere Taktung und ein dichtes Netz – wäre auch im innereuropäischen Verkehr eine Reisezeit für die Strecke Barcelona-Prag von 8-10h realistisch.

Diese Perspektive wird jedoch durch zwei Aspekte untergraben:

  • Förderprogramme der EU, die den effizienten Streckenausbau durch Tempolimits von 160 km/h hemmen und
  • konkurrierende Eisenbahnunternehmen, deren Fahrpläne nicht aufeinander getaktet sind.

Hinzu kommt eine Schieneninfrastruktur, die insb. in Osteuropa unzureichend in Stand gehalten ist. Deswegen müssen Förderprogramme der EU und bilaterale Kooperationsverträge den Auf- & Ausbau des innereuropäischen Höchstgeschwindigkeitsnetzes mit höheren Maximal- & Durchschnittsgeschwindigkeiten stärker in den Fokus nehmen.

Im Zuge dessen sind erhebliche Investitionen ins europaweite Schienennetz zu tätigen, obwohl sich diese erst nach Jahrzehnten auszahlen werden. Im deutschen Netz sind noch heute hauptsächlich Brücken aktiv, die vor über 100 Jahren gebaut wurden. Investitionen ins Schienennetz sind langfristige Investitionen für den Klimaschutz und damit für die Zukunft.

Gleiches gilt für den Nachtverkehr auf der Schiene. Alse wichtige zusätzliche Komponente der Personenbeförderung und der effizienten Streckenausnutzung, muss dieser insbesondere auf Langstrecken als Alternative zum Flugverkehr auf europäischer Ebene ausgebaut bzw. entwickelt werden.

Ein Schienennetz ist ein natürliches Monopol. Auf einem mitgliedsstaatlich bzw. europäisch-gemeinschaftlich zur Verfügung gestellten Schienennetz können unterschiedliche Anbieter in Personen- und Güterverkehr verschiedene Strecken anbieten und entsprechend der Nutzungsintensität Gebühren zum Strukturerhalt zahlen. Gleichzeitig muss die Kooperation europäischen Eisenbahngesellschaften tiefer gehen und über die Bündelung einiger Kompetenzen unter einem Dach nachgedacht werden. Außerdem könnten so Hürden beim grenzüberschreitenden Verkehr abgebaut und das Konzept der EuroCity-Linien ausgebaut werden. 

Für Deutschland muss es mittelfristiges Ziel sein, dass das Schienennetz (ca. ein Zehntel) ausreichend Kapazität aufgebaut hat, um die Straße (ca. die Hälfte) als führenden Verkehrsträger im Güterverkehr abzulösen. Besonders absurd erscheint vor dem Hintergrund, dass das deutsche Staatsunternehmen „Die Deutsche Bahn“ 2/3 ihres Gütertransports über die Straße abwickelt.

Im Personenfernverkehr muss das mittelfristige Ziel sein, dass Großstädte zu ihren Nachbarstädten min. im Stundentakt angebunden werden. Der gleiche Takt gilt für die Anbindung der Mittelzentren an ihre jeweiligen Oberzentren und Unterzentren an ihre jeweiligen Mittelzentren. Eine enge Taktung und kurze Reisezeiten bringen Regionen dichter zusammen. Wichtig für die Fahrpläne der Eisenbahnunternehmen ist an dieser Stelle auch die Taktung von Fernverkehr auf Regional- & Nahverkehr sowie schienenungebundenen ÖPNV.

Die Schiene als umweltfreundlichster Verkehrsträger ist gegenüber dem motorisierten Individualverkehr besonders subventionswürdig. Die Länder der europäischen Union sollten dementsprechend dem Beispiel von Dänemark, Irland & Großbritannien folgen und die Mehrwertsteuer für schienengebundenen Verkehr abschaffen.

Fernbusse als Alternative zur Schiene?

Der schwarz-gelben Bundesregierung haben wir eine Liberalisierung des Fernbusmarktes seit 2013 zu verdanken. Mit Versprechen eines grünen und günstigen Fernverkehrs wurde somit ein groß angelegter Angriff auf die Deutsche Bahn gestartet. Allerdings wurde schnell klar, dass das Geschäftsmodell vor allem aus Lohndumping bestand und die angenommene Auslastung bei weitem nicht erreicht wurde. er Preiskampf der Fernbusunternehmen untereinander und gegen die Deutschen Bahn wird zusätzlich durch eine gebühren- und mautfreie Nutzung von Straßen gefördert – die Nutzung der Schiene ist durch sogenannte Trassenpreise jedoch nicht kostenlos. Aus der anfänglichen Konkurrenz- und Goldgräber*innen-Stimmung auf dem Fernbusmarkt haben sich inzwischen mono- bzw. oligopole Strukturen entwickelt, die vor allem auf den rentablen Strecken zwischen Großstädten die positiven Skalen- und Netzwerkeffekte der Deutschen Bahn mindern. Hinzu kommt, dass die Umweltbilanz der Fernbusse zu keinem Zeitpunkt mit dem Schienenverkehr mithalten konnte.

Um den Karren nun wieder aus dem Dreck zu ziehen, muss auch diese umweltschädliche Bevorzugung der Fernbusse durch eine vergleichbare Straßennutzungsgebühr abgebaut werden.

Einerseits Verkehrskollaps in der Großstadt…

Unsere Mobilität steht nicht nur bei der Produktion von Treibhausgasen vor Herausforderungen. Europaweit wächst die Stadtbevölkerung während die Landbevölkerung schrumpft. Die Folge sind immer größere Städte mit immer größeren Verkehrsaufkommen. Auf der einen Seite ist die innerstädtische Fortbewegung ein Stück der lokalen Lebensqualität. Auf der anderen Seite sind Abgase, Lärm und Gefahren durch den Verkehr eine Einschränkung ebendieser. In Städten wird gerade der private PKW zum zunehmenden Problem und führt bereits heute in einigen Großstädten zum Verkehrskollaps – Stau, Unfälle und niedrige Reisegeschwindigkeit sind die Folge.

Die Zukunft der innerstädtischen Mobilität kann nicht die dritte & vierte Autospur auf den Hauptverkehrsmagistralen sein. Stattdessen werden multimodale Konzepte, die verschiedene Verkehrsträger miteinander verbinden, in den Vordergrund treten. In diesen Konzepten werden Fußgänger*innen, Fahrräder, Kleinstelektrofahrzeuge und die Elemente des öffentliche Personennahverkehr deutlich in den Vordergrund treten, sodass die Überwindung einer Strecke nicht mehr nur mit einem Verkehrsmittel bewältigt wird. Hinzu kommt eine neue Konzeption der Besitzverhältnisse.  Die Rolle des eigenen Autos als Statussymbol scheint sich zu wandeln und die gemeinschaftliche Nutzung von PKW in Form von Sharing-Konzepten entwickelt sich zumindest in den Zentren unserer Großstädte zur attraktiven Alternative.

Eine Umstellung des städtischen Verkehrswesens besteht jedoch nicht nur aus dem Ausbau und der Ermöglichung multimodaler Konzepte, sondern auch in der Einschränkung des motorisierten Individualverkehrs – ein wichtiger Schritt hin zur Steigerung der Attraktivität des Stadtlebens und Erhöhung der städtischen Verkehrssicherheit. 

Multimodale Sharing-Konzepte benötigen Platz in der Stadt. Sharing-Konzepte benötigen öffentlich zugängliche Stellflächen, an denen intermodale Mobilitätspunkte für den Umstieg zwischen den unterschiedlichen Verkehrsmitteln entstehen können – begleitet von einer moderaten Politik gegenüber „wild“ geparkten Leihfahrrädern oder Leihrollern. Dafür können insbesondere bisherige PKW-Parkplatzflächen umgewidmet und aufgewertet werden. Im Weiteren benötigen die neuen Verkehrsmittel Platz im alten Straßenverkehr:  beidseitig befahrbare Radwege, reine Fahrradautobahnen, Busspuren, Straßenbahngleise. Zur Umsetzung dieser Konzepte muss allerdings Platz geschaffen werden – die Dominanz des PKW muss dafür aber weichen.

Gerade um größere Bauprojekte wie eine neue Straßenbahn, S-Bahn oder U-Bahn-Linie in der Stadt umzusetzen, gehen schnell Jahrzehnte ins Land. Hier müssen vereinfachte Zulassungs- und Planungsverfahren erlaubt werden, um einen schnelle Verkehrswende überhaupt erst möglich zu machen.

Auch die eingesetzten Fahrzeugtypen müssen sich im multimodalen Konzept verändern: Durch die zunehmende Präsenz von Fahrrädern & elektrischen Kleinstfahrzeugen benötigen diese selbstverständlich ausreichende Transportflächen im öffentlichen Nahverkehr.

Große Straßen für den Durchgangsverkehr müssen konsequent um die Stadt herumgeführt werden – entgegen dem häufigen Irrtum profitieren Städte durch durchfahrenden Autoverkehr weder im Bereich des Tourismus noch im Bereich des Einzelhandels. Stattdessen bleiben Abgase, Lärm und eine sinkende Lebensqualität.

Zurzeit ist das Auto mit durchschnittlich 27 km/h m Stadtverkehr noch das schnellste Verkehrsmittel und ÖPNV & Radverkehr sind mit im Schnitt 18-20 km/h spürbar langsamer bzw. weniger attraktiv. Autofahrten im Wohngebiet machen in der Regel allerdings nur einen Bruchteil der Reisestrecke aus. Eine konsequente Reduzierung der Maximalgeschwindigkeit auf 20 km/h verlängert die Reisezeit also nur unwesentlich, gleichzeitig steigt die Sicherheit und der Kraftstoffverbrauch sinkt. Außerdem wird so verhindert, dass moderne Navigationssysteme den Verkehr auf vermeintlich schnellere Routen durch Wohngebiete führen.

Je weniger Parkplätze in der Innenstadt vorhanden sind, umso mehr Menschen werden auf andere Verkehrsmittel umsteigen, um in das Stadtinnere zu gelangen. Mit einer effizienten Parkraumbewirtschaftung, Umwidmung von Stellflächen für Sharing-Konzepte, dem gezielten Rückbau von Stellplätzen und geschickten Anreizmechanismen für Bus und Bahn kann der Autoverkehr effektiv verringert werden und gleichzeitig eine Einnahmequelle für die Stadt geschaffen werden. Eine lebenswerte Stadt der Zukunft hält den motorisierten Individualverkehr soweit wie möglich aus der Stadt heraus, bei sinnvollen Ausnahmen für Liefer- & Anwohner*innenverkehr sowie Einsatzfahrzeuge.

… und andererseits fehlende Fortbewegungsmöglichkeiten auf dem Land?

Während die Großstädte mit dem Verkehrskollaps kämpfen, ist im ländlichen Raum das Auto häufig das einzige adäquate Fortbewegungsmittel. Wenn überhaupt ein Bus durchs Dorf fährt, ist dies entweder der Schulbus oder die einzige Verbindung des Tages. Besonders tragisch für jene, die kein Auto oder Führerschein haben.

Dies ist die Folge einer von der Autoindustrie getriebenen Politik der letzten Jahrzehnte: Bahnhöfe und ganze Schienenstreckenabschnitten wurden zurückgebaut und müssen jetzt mühsam wiederaufgebaut werden.

Nichtsdestotrotz greifen hier zunächst ähnliche Maßnahmen wie in der Stadt:

  • Ausbau der Radwege entlang der Landstraßen,
  • Reduzierung der Höchstgeschwindigkeiten außerorts auf 70km/h,
  • Umsetzung eines Tempolimits auf Autobahnen bei 130 km/h,
  • die Verdichtung des Nahverkehr-Taktes mit Kleinbussen oder Linientaxis,
  • die garantierte Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr,
  • multimodale Mobilitätskonzepte

Im Gegensatz zur Großstadt wird der Individualverkehr auch im ländlichen Raum weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Hier besteht die Aufgabe darin, entsprechende Infrastruktur bereitzustellen. Häufig müssen nur wenige Kilometer bzw. die „letzte Meile“ bis zur nächsten regelmäßig bedienten Haltestelle überwunden werden. Gerade außerhalb der Städte müssen Ladeinfrastrukturen für E-Mobilität geschaffen werden und am Stadtrand entsprechende Park-&-Ride-Möglichkeiten ausgebaut werden.

Wer zahlt?

Klima- und Umweltschutz können nur gelingen, wenn sie als gemeinschaftliches Ziel mit sozialer Komponente erdacht werden: die Abweichung von einer verursacher*innen-gerechten Finanzierung muss dann vertretbar sein, wenn es um gesellschaftliche Teilhabe für alle geht – unabhängig von körperlichen, finanziellen oder sonstigen Charakteristika. Während das Verursacher*innenprinzip bei der künftigen Emissionsvermeidung zentrales Element sein soll, müssen öffentlicher Nahverkehr sowie die Etablierung, Verbreitung und Nutzung von klimaneutralen in diesem Sinne staatlich unterstützt werden.

Nun besteht die Gefahr, dass bei einem besonders günstigen oder gar gebührenfreien Nahverkehr nicht nur Nutzer*innen des motorisierten Individualverkehrs den Umstieg wagen, sondern auch Fußgänger*innen und Radfahrer*innen. In Abwägung zwischen exzessiver Nutzung eines Verkehrsträgers und gesellschaftlicher Teilhabe, kann die sozialdemokratische Antwort allerdings nur auf Letzteres fallen. 

Gebührenfreier oder besonders günstiger Nahverkehr kann auch Mittel sein, um auf komplexe Ticketsysteme zu verzichten. Zugangsbarrieren können dadurch abgebaut und Kostensenkungen im laufenden Geschäft von Anbietern und Betreibern reduziert werden

Im Fernverkehr sollten wir uns vom Tarifdschungel aus Sparpreis, Super Sparpreis und unterschiedlichen BahnCards verabschieden. Dies schafft ein intransparentes Preismodell, welches die empfangene Leistung kaum widerspiegelt und gerade Wenignutzer*innen abschreckt. Gleichzeitig werden beim Flexpreis schwindelerregende Höhen erreicht, die selbst für Menschen mit höherem Einkommen kaum bezahlbar sind.

Kinder sind eine gesellschaftliche Aufgabe und sollten auch im Punkt der Mobilität nicht zur Schuldenfalle für die Eltern werden: Schulpflichtige Kinder müssen generell kostenlos im Fernverkehr fahren können. Im Weiteren sollte das Preismodell im Fernverkehr bis zu einem Maximalpreis stärker an die Entfernung gekoppelt werden. Davon unbeschadet bleibt die Lenkung von Fahrgastströmen durch steigende Preise bei steigender Auslastung. Eine Unterscheidung in 1. & 2. Klasse ist in Zukunft gerade im Regionalverkehr nicht mehr notwendig.

Auch die Bundesregierung, Mitarbeiter*innen des öffentlichen Diensts oder Abgeordnete müssen die Klimaschädlichkeit ihrer Dienstreisen einschränken. Alleine die Anzahl an Dienstreisen zwischen Bonn und Berlin von Angehörigen der Bundesregierung sowie deren Beschäftigten belief sich im Jahr 2018 auf über 18.000 und kostete rund 6,2 Mio. Euro. Etwa 12.000 dieser Reisen würde mit dem Flugzeug absolviert. Innerdeutsche Reisen sollten grundsätzlich mit dem Zug erfolgen und nur im Ausnahmefall mit anderen Verkehrsmitteln.

Neue & innovative Verkehrsmittel

Elektrofahrrad, E-Scooter, Pedelec, Segway, Hoverboard, … – In den letzten Jahren sind immer neue Innovationen der Fortbewegung auf den Markt gekommen. Gemeinsam ist ihnen der problematische Umgang durch den deutschen Gesetzgeber. Waren Elektroroller zu Beginn des Jahres noch gar nicht legal einsetzbar, wurden sie im Juni vergleichsweise stark reglementiert für den deutschen Verkehrsraum zugelassen. Europaweit gibt es unterschiedliche Regelungen – Probleme & Verwirrung für Hersteller*innen und Verbraucher*innen werden so nicht ausbleiben.

So sehr eine Befreiung von der Führerscheinpflicht für die meisten dieser Elektrokleinstfahrzeuge zu begrüßen ist, umso mehr scheiden sich die Geister an der Begrenzung der Maximalgeschwindigkeit. Die maximal zulässige Höchstgeschwindigkeit wird voraussichtlich 20 km/h betragen, im Nachbarland Österreich werden es 25 km/h, in den USA sogar bis zu 32 km/h. Erscheint eine Abstufung nach Alter der*s Fahrer*in und unterschiedlichen Nutzungsorten – Fußgänger*innenzone, Fußweg, Radweg, oder Straße – sinnvoll, ist eine pauschale Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit auf 20 km/h sehr konservativ.

Um die multimodalen Verkehrskonzepte sinnvoll unterstützen zu können, wäre es besser sich an den Grenzwerten aus der USA oder zumindest unseren europäischen Nachbarn zu orientieren. Gegebenenfalls kann für das Führen von Kleinstfahrzeugen mit höheren Geschwindigkeiten zusätzlich ein Mofa-Führerschein notwendig sein. Nichtsdestotrotz werden Elektrokleinstfahrzeuge in Verbindung mit Sharing-Konzepte insbesondere für den innerstädtischen Verkehr und zur Überwindung der letzten Meile ein wichtiger Grundpfeiler bilden.

Das gute alte Fahrrad

Um den Radverkehr ansprechender zu gestalten, müssen verschiedene Maßnahmen ergriffen werden. Die Stadt und ihre Straßen müssen an das Rad angepasst werden, damit Radfahrer*innen sicher und gleichberechtigt am Verkehr teilnehmen können. In die beide Richtungen freigegebene Einbahnstraßen und Überholverbotsschilder zum Schutz von Radfahrer*innen an engen Stellen sind erste richtige Schritte. Die Kommunen müssen sich hier an neuen, wenn auch kleinen, Konzepten orientieren, wie bspw. grüne Wellen bei Ampelschaltungen angepasst auf Fahrradgeschwindigkeiten und grüne Pfeile für Radfahrerende. Insgesamt sind die Kommunen in der Pflicht einen zusammenhängenden und engmaschigen Radverkehrsplan zu erstellen.

Ein ÖPNV ist nur so gut, wie seine Einbindung von Radfahrenden. Hier gilt es nicht nur Pendler*innen-freundliche Radstellplätze an Bahnstationen zu schaffen, sondern auch eine einfache und komfortable Mitnahme zu gewährleisten, bspw. durch Multifunktionsabteile für Fahrräder, Rollstühle und Kinderwägen. 

Als wichtiges Transportmittel der Zukunft, mit zunehmendem Anteil an Paket-und Logistikdiensten, sind Lastenräder eine sinnvolle Alternative. Mit zusätzlicher elektrischer Unterstützung können auch erhebliche Mengen an Gütern umweltfreundlich und platzsparend transportiert werden. Deswegen müssen nicht nur Radwege in ihrer Breite angepasst werden, sondern eine Anschaffung sollte durch entsprechende Förderprogramme vereinfacht werden.

Digital first?

Eine der größten Chancen in der Mobilität der Zukunft bildet die Digitalisierung. Multimodale Konzepte werden noch flexibler und können auf kurzzeitige Einflüsse wie Verfügbarkeitsmangel oder Streckensperrungen reagieren. Mit automatisierten Routenberechnungen kann zu jedem Zeitpunkt – unter Beachtung städtebaulicher Planungen – stets die schnellste Route gefunden werden. Eine wichtige Grundlage dazu bildet der offene Zugang zu Daten: Mobilitätsanbieter müssen dazu verpflichtet werden, Daten für entsprechendes Routing bereitzustellen.

Ein weiterer großartiger Aspekt der digitalen Mobilität bildet das autonome Fahren – sowohl im Auto als auch im Zug. Die Chancen sind riesig bzgl. Qualität, Geschwindigkeit, Sicherheit, Kosten & Verfügbarkeit. Von politischer Seite muss zügig ein gesetzlicher Rahmen geschaffen werden, der das autonome Fahren europaweit einheitlich regelt und ermöglicht. Dabei gilt es technische Möglichkeiten, Haftungsfragen und Gefahren auszuloten:

  • Wenn es auch häufig herangeführt wird, ist eine Aufhebung der Netzneutralität für den sicheren autonomen Verkehr in keiner Weise notwendig und bringt auch keine nennenswerten Vorteile.
  • Obwohl es bei komplexen Systemen schwierig ist, ist völlig klar, dass Hersteller*innen für ihre Produkte garantieren und haften müssen. Das heißt bei Unfällen müssen versagende Komponenten gefunden werden, zugehörige Hersteller*innen zur Verantwortung gezogen werden und die identifizierten Komponenten optimiert werden. In der Regel wird es dabei um fahrlässige Handlungen gehen.
  • Die Welt besteht nicht nur aus Trolley-Problemen. In der realen Praxis kommen sie praktisch nicht vor. Die Vorteile bei der sonstigen Unfallvermeidung überwiegen die Nichtentscheidbarkeit dieser Probleme derart, dass sie den Vormarsch der autonomen Mobilität nicht bremsen sollten.
  • An autonomen Fahrzeugen hängen Leben. Es handelt sich also um eine besonders kritische digitale Infrastruktur. Es ist somit gesetzlich sicherzustellen, dass gewisse IT-Sicherheitsmindeststandards eingehalten werden: von eigenen Sensoren gemessene Daten haben eine höhere Relevanz als externe empfangene Daten, Multimedia-Systeme sind von fahrzeugrelevanten Systemen strikt zu trennen, Updates dürfen nur in „sicherer“ Umgebung nach umfangreicher Testung eingespielt werden.

Trotz der großen Vorteile der digitalen Mobilität beinhaltet gerade die kaum vermeidbare Erfassung von Geo- und Bewegungsdaten im Rahmen der Digitalisierung der Mobilität große Gefahren. Faktisch wird klar, wer – wann – wo – mit wem – wie lang unterwegs war. Trotz der gegebenen Schwierigkeiten müssen Konzepte entwickelt werden, die weiterhin die anonyme, freie und unabhängige Fortbewegung durch den öffentlichen Raum ermöglichen – nur die Codierung mit einem Pseudonym bringt hier keine Vorteile. Unterstützend wirken dabei Abo- oder Flatrate-Modelle, da so keine zeitscharfe Abrechnung von Mobilitätsleistungen notwendig wird. Wichtig ist nur, wo sich die jeweiligen Fahrzeuge befinden und ob sie gerade verliehen sind. Nicht relevant ist, wer sie benutzt hat – es erfolgt also keine Personenprüfungen, sondern eine Berechtigungsprüfung.

Fazit

Unsere Mobilität wächst und sie steht vor Herausforderungen – allerdings sind diese lösbar! Die Zukunft der klimaneutralen Mobilität baut auf gemeinsam genutzten Verkehrsmitteln und gesellschaftlicher Teilhabe auf – gemeinsam klassisch in Bus und Bahn oder modern durch Sharing-Konzepte.

Folgende Ziele & Maßnahmen müssen zwingend Teil eines Konzepts für die Mobilität der Zukunft sein:

  • Emissionsfreie Mobilität,
  • Verursacher*innengerechte Abgabe für Schadstoff Emittenten,
  • Verhinderungen zusätzlicher Versiegelung durch Verkehr, Freigabe von Versiegelung durch den Rückbau von Straßen bzw. effizientere Nutzung von versiegelten Flächen von gemeinschaftlich genutzten Verkehrsträgern, insbesondere durch Schienenverkehr,
  • Förderung & Ausbau europaweiter Mobilität, insbesondere im Schienenverkehr
  • Straßennutzungsgebühren für Fernbusse,
  • Rückbau von direkten und indirekten klimaschädlichen Subventionen,
  • Finanzielle Ausstattung und Förderung von multimodalen Verkehrskonzepten,
  • die Verringerung des Vekehrsraums für den motorisierten Individualverkehrs zu Gunsten von anderen Verkehrsträgern und Sharing-Konzepten,
  • Anbindung des ländlichen Raums, in Verbindung mit großflächigen & grenzüberschreitenden Verkehrsverbünden
  • Sozialer Ausgleich und transparente Preissysteme für Personenverkehr,
  • Liberale Förderung & Zulassung von innovativen Verkehrsträgern, wie zurzeit Elektrokleinstfahrzeuge,
  • Schaffung eines gesellschaftlichen, technologischen & rechtlichen Rahmen für autonome Fahrzeuge und
  • Sicherung der anonymen, freien und unabhängigen Fortbewegung in der digitalisierten Welt.

 

Änderungsanträge
Status Kürzel Zeile AntragstellerInnen Text PDF
Annahme ÄA2 zum V-2 1 Jusos Chemnitz Ergänze in Zeile 1 nach „Juso-Bundeskongress“, „den Landesvorstand der SPD Sachsen“ Änderungsantrag (PDF)
Annahme ÄA3 zum V-2 Jusos Chemnitz Ersetze im gesamten Antragstext „emissionsfrei“ bzw. „Emissionsfreiheit“ durch „klimaneutral“ bzw. „Klimaneutralität“ Änderungsantrag (PDF)
Annahme ÄA4 zum V-2 47 Ersetze in Zeile 47 „kein“ durch „weniger“ Änderungsantrag (PDF)
Annahme ÄA5 zum V-2 185 Ergänze in Z. 185 nach „20 km/h“ „in Wohngebieten“ Änderungsantrag (PDF)
Nicht Abgestimmt ÄA1 zum V-2 1-2 Jusos Leipzig Ersetze Zeile 1-2 durch: Die Jusos Sachsen mögen beschließen und an den Juso Landesvorstand weiterleiten: Der Juso Landesvorstand plant, organisiert und richtet innerhalb der nächsten Legislatur ein Verbandswochende mit dem Thema „Mobilität im Wandel“ aus. In die Planung, Organisation sowie Durchführung werden der UB Dresden und weitere UBs - falls von denen gewünscht - mit einbezogen. Ziel dieses Verbandswochenendes ist es, auf der folgenden Landesdeligiertenkonferenz eine Reihe von Anträgen zum Thema Mobilität einzureichen. Als thematische Vorlage für das Verbandswochenende dient folgendes Konzeptpapier:     Änderungsantrag (PDF)
Beschluss: Mobilität im Wandel
Text des Beschlusses:

Die Jusos Sachsen beschließen und leiten an den Juso-Bundeskongress, den Landesvorstand der SPD Sachsen, den Landesparteitag und den Bundesparteitag weiter:

Mobilität verbindet das Land mit der Stadt, Städte untereinander und verwischt die Grenzen zwischen Nationalstaaten. Mobilität ist ein menschliches Bedürfnis, dass schon immer wichtig war und unsere Gesellschaft verbindet – wir haben Freundschaften und soziale Kontakte in der ganzen Welt, Arbeiten heute von hier und morgen von dort, dazu kommt ein Kurzerholungsurlaub im Nachbarland.
Unsere Gesellschaft wird immer mobiler und das ist gut so. Jedoch darf Mobilität nicht zu Lasten der Umwelt und der Lebensqualität erfolgen. Mit dem Klimaabkommen von Paris und dem Klimaschutzplan 2050 verpflichteten wir uns zur Treibhausgasneutralität. Doch gerade unser Verkehrssektor hinkt diesen Versprechen hinterher – die Emissionen auf unseren Straßen haben sich seit 1990 nicht verringert, sondern sind angestiegen. Dies liegt auch an der Bedeutung von fossilen Brennstoffen im Energiemix des Verkehrswesens; klimaschädliche Kraftstoffe werden aber keinen Platz in einer zukunftsfähigen Mobilitätsstrategie finden können.
Die Bedeutung des PKW wird sich damit verändern müssen: Viele Menschen überdenken die Rolle des eigenen Autos als Statussymbol bereits. Daneben wächst die Bereitschaft der Bevölkerung auf das eigene Auto zu verzichten und stattdessen Angebote des öffentlichen Personenverkehrs zu nutzen, stetig. Jedoch müssen dafür die Rahmenbedingungen stimmen: Pünktlichkeit, Geschwindigkeit, Bequemlichkeit und angemessene Preise sind Schlüsselfaktoren der postfossilen Mobilität.
Neben wachsendem Verkehrsaufkommen ändern sich unser Mobilitätsverhalten und unsere Mobilitätsgewohnheiten. Künftig werden wir nicht mehr mit dem einen Verkehrsmittel – dem Auto – von Start bis Zielort fahren, sondern multimodal mit mehreren Verkehrsmitteln die Reisestrecke überwinden: Mit dem Leihfahrrad zur Haltestelle, von dort weiter auf der Schiene und letztlich mit einem Elektroroller zum Ziel.
Klimaneutrale Mobilität – Jetzt!
Unsere Mobilität muss klimaneutral werden – sofort! Verkehrsemission machen ein Fünftel der weltweit produzierten Treibhausgase aus. Es ist an der heutigen jungen Generation, den menschengemachten Klimawandel zu bekämpfen und abzuwenden. Es ist an dieser jungen Generation, die Reformen nachzuholen, die in den letzten Jahrzehnten nicht energisch genug vorangetrieben und durchgesetzt wurden. Die Chance einer Mobilitätswende ohne Härte haben wir verpasst. Die Zeit der Bequemlichkeit ist abgelaufen.
Dabei müssen sich unsere Prioritäten ändern: Verkehr muss in erster Linie klimaneutral und mit möglichst kleiner Umweltwirkung erdacht werden. Danach wird es unsere Aufgabe sein die Vielschichtigkeit des Themas in einer zukunftsfähigen Mobilitätsstrategie zu verankern. Klimaneutrale Mobilität? Das bedeutet weder das Ende des motorisierten Individualverkehrs noch eine dauerhafte Einschränkung unseres Reiseverhaltens. Nichtsdestotrotz wird es dabei kurzfristig spürbare Veränderungen und Einschnitten in unsere gewohnten Fortbewegungsmustern geben.
Es sieht danach aus, als ob der Verbrennungsmotor bald der Vergangenheit angehören wird – Länder wie Norwegen und Schweden haben schon heute den zeitnahen Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor beschlossen. Dank Neuzulassungsquoten von bis zu 50% tragen die skandinavischen Länder ihren Teil dazu bei, dass weltweit bereits täglich Millionen Elektroautos unterwegs sind. Doch auch hier zeigt sich die Vielschichtigkeit der zukünftigen Mobilität: Damit Elektromobilität ihren Zweck nicht verfehlt, muss bei der Förderung der notwendigen Rohstoffe (z.B. Lithium) und bei der Umsetzung der Verkehrswende zwingend auf eine soziale und umweltfreundliche Ausgestaltung geachtet werden.
Die anstehende Mobilitätsreform kann nur schwer kostenneutral vollzogen werden und nur durch Integration auf europäischer und globaler Ebene gelingen. Als reiche Industrienationen und europäische Wertegemeinschaft müssen wir nicht nur im internationalen Klimawettbewerb voranschreiten und das Zeitalter der postfossilen Mobilität ausrufen, sondern ebenfalls dafür Sorge tragen, dass ein*e Jede*r teilhaben kann. Die Kosten des Wandels dürfen nicht auf den Ärmsten lasten, sondern müssen sozial gerecht auf den starken Schultern unserer Gesellschaft aufgeteilt werden. Die Bedürfnisse von Stadt und Land müssen gleichermaßen berücksichtigt werden und auch das Mobilitätsverhalten verschiedener Bevölkerungsgruppen muss in unsere zukünftige Mobilitätsstrategie Platz finden.
Unter Berücksichtigung all dieser Aspekte ist unser umweltpolitisches Ziel klar: Klimaneutralität. Das bedeutet keine Treibhausgase, weniger Feinstaub und geringe Lärmbelästigung. Bei Emissionen kann nur das Verursacherprinzip gelten – wer Umwelt und Gesellschaft Schaden zufügt, der muss auch dafür zahlen:
Entweder pauschalisiert über Abgaben gemäß des Äquivalenzprinzips auf den jeweiligen Energieträger
Individualisiert auf Basis des Verursacherprinzips über eine entsprechende Reinigungsabgabe abgegolten, die fortlaufend zu einem Stichtag erhoben werden.
Beide Prinzipien lassen sich auf alle Verkehrsträger – zu Luft, zu Wasser, auf der Straße oder auf der Schiene übertragen. Die zweite, individualisierte Variante erlaubt zusätzlich die selbstständige Emissionsreinigung. Die Folge ist bei beiden Regelungen klar: Wer mehr Emissionen produziert, wird höhere Abgaben zahlen müssen. Es wird somit lohnenswerter gemeinschaftlich und sauber unterwegs zu sein.
Bodenversiegelung durch Verkehrsflächen
Bundesweit sind in Deutschland je nach Quelle ca. 3-5% der Gesamtfläche durch Verkehrswege (Straßen, Schienen, Start- & Landebahnen und Wasserwege) vollständig versiegelt. Seit der Wende sind täglich im Schnitt 20 Hektar zusätzliches Land durch solche Verkehrswege „(v)erschlossen“ worden. Die Bundesregierung hat die Gefahr darin bereits erkannt und versucht die Neuinanspruchnahme von Flächen deutlich zu verringern.
Um die Flächennutzung durch Verkehr bei wachsender Mobilität zu optimieren, muss auf möglichst effiziente Verkehrsträger gesetzt werden. Effizient bedeutet in diesem Fall ein hoher Personendurchsatz je Strecke auf möglichst wenig Fläche. Besonders effizient ist hier die Schiene bzw. der öffentliche Nahverkehr – selbst bei geringer Auslastung wird nur ca. ein Drittel der Fläche bei gleichem Personendurchsatz in Anspruch genommen. Dies gilt sowohl für Nah- und Fernverkehr. Weniger Bodenversiegelung verursacht nur der Flugverkehr – abgewogen gegenüber dem starken Emissionsausstoß, ist dies jedoch keine sinnvolle Alternative.
Falsche Anreize und Subventionen abbauen!
Laut Umweltbundesamt entfielen in Deutschland im Jahr 2016 von den 57 Mrd. Euro umweltschädlichen Subventionen über die Hälfte auf Verkehrssubventionen.
Dabei machen Subventionen für Auto- und Flugverkehr mit jeweils ungefähr 12 Mrd. Euro einen Löwenanteil dieser Bevorzugung aus. Wir fordern insbesondere die Abschaffung bzw. Reform der folgenden Subventionen:
7,4 Mrd. Euro für Steuervergünstigungen für Dieselkraftstoff – Zur Zeit werden 21,9 ct je Liter Diesel (inkl. Kraftstoff & Mehrwertsteuer) Rabatt gegenüber Benzin gewährt und auch andere, weniger umwelt- gesundheitsschädliche Technologie, im Wettbewerb benachteiligt
5,1 Mrd. Euro für Entfernungs- bzw. Pendler*innenpauschale – Statt Anreize zu setzen, in der Nähe der Arbeitsstätte zu wohnen oder umweltschonend zu pendeln, profitieren vor allem Gutverdiener*innen und PKW-Nutzer*innen von der steuerlichen Bevorzugung
7,1 Mrd. Euro für die vollständige Energiesteuerbefreiung von Kerosin (davon 0,5 Mrd. Euro für Flüge im nationalen & 6,6 Mrd. Euro im internationalen Raum) – trotz international ungleicher Besteuerung und Regulierung, muss zumindest eine europäische Antwort gegen unfairen Wettbewerb zwischen den Verkehrsträgern gegeben werden
5,8 Mrd. Euro für die vollständige Mehrwertsteuerbefreiung internationaler Flüge – die Lage gestaltet sich hier ähnlich wie bei der fehlenden Kerosinsteuer: es braucht dringend eine globale, zumindest aber europäische Lösung ohne Doppelbesteuerung.
Hinzu kommt die direkte & indirekte Förderung des Baus und Betriebs von kleinen, meist unprofitablen internationalen Flughäfen und Regionalflughäfen. Stattdessen sollten die Kommunen dabei unterstützt werden, eine starke schienengebundene Anbindung an die großen Flugdrehkreuze zu erhalten.
Die Notwendigkeit von Flügen mit Distanzen unter 500 km muss überdacht werden. Neben der Option eines strikten Verbots und den damit verbundenen Ausweichreaktionen (Flugreise über das Ausland & Umwege), muss sich der Klimaschaden von Flugreisen konsequent in Ticketpreisen widerspiegeln – denn die Kosten von Flugreisen spiegeln nicht den ökologischen und gesellschaftlichen Schaden wider, den sie verursachen.
Wir müssen uns dafür einsetzen, dass alle umweltschädlichen Subventionen abgeschafft oder reformiert werden: Klimaschädlichen Kraftstoffen und Fortbewegungsmitteln darf kein staatlich geförderter Vorteil zu Ungunsten der Ökologie gewährt werden!
Europaweites Schienennetz und die Rolle der Deutschen Bahn
Um von Prag nach Barcelona zu reisen, wird heute je nach verwendetem Verkehrsmittel eine unterschiedliche Reisedauer benötigt. Mit dem Zug werden 21-25 Stunden benötigt, mit dem Auto 16-17 Stunden und mit dem Flugzeug inkl. Sicherheitskontrolle & Gepäckabholung sowie An- & Abreise zum Flughafen 5-7 Stunden. Genau konträr verhält es sich mit den Emissionen: Das Flugzeug ist mit Abstand am umweltschädlichsten, während mit dem Zug zumindest theoretisch Klimaneutralität garantiert werden kann.
Es wird deutlich, dass bei der europäischen Mobilität der Ausbau auf der Schiene bislang verschlafen wurde. Ist der Zugverkehr im innerdeutschen Raum im Punkt Gesamtreisezeit in der Regel gegenüber dem Flugzeug konkurrenzfähig – durch bessere Lage, höhere Taktung und ein dichtes Netz – wäre auch im innereuropäischen Verkehr eine Reisezeit für die Strecke Barcelona-Prag von 8-10h realistisch.
Diese Perspektive wird jedoch durch zwei Aspekte untergraben:
Förderprogramme der EU, die den effizienten Streckenausbau durch Tempolimits von 160 km/h hemmen und
konkurrierende Eisenbahnunternehmen, deren Fahrpläne nicht aufeinander getaktet sind.
Hinzu kommt eine Schieneninfrastruktur, die insb. in Osteuropa unzureichend in Stand gehalten ist. Deswegen müssen Förderprogramme der EU und bilaterale Kooperationsverträge den Auf- & Ausbau des innereuropäischen Höchstgeschwindigkeitsnetzes mit höheren Maximal- & Durchschnittsgeschwindigkeiten stärker in den Fokus nehmen.
Im Zuge dessen sind erhebliche Investitionen ins europaweite Schienennetz zu tätigen, obwohl sich diese erst nach Jahrzehnten auszahlen werden. Im deutschen Netz sind noch heute hauptsächlich Brücken aktiv, die vor über 100 Jahren gebaut wurden. Investitionen ins Schienennetz sind langfristige Investitionen für den Klimaschutz und damit für die Zukunft.
Gleiches gilt für den Nachtverkehr auf der Schiene. Alse wichtige zusätzliche Komponente der Personenbeförderung und der effizienten Streckenausnutzung, muss dieser insbesondere auf Langstrecken als Alternative zum Flugverkehr auf europäischer Ebene ausgebaut bzw. entwickelt werden.
Ein Schienennetz ist ein natürliches Monopol. Auf einem mitgliedsstaatlich bzw. europäisch-gemeinschaftlich zur Verfügung gestellten Schienennetz können unterschiedliche Anbieter in Personen- und Güterverkehr verschiedene Strecken anbieten und entsprechend der Nutzungsintensität Gebühren zum Strukturerhalt zahlen. Gleichzeitig muss die Kooperation europäischen Eisenbahngesellschaften tiefer gehen und über die Bündelung einiger Kompetenzen unter einem Dach nachgedacht werden. Außerdem könnten so Hürden beim grenzüberschreitenden Verkehr abgebaut und das Konzept der EuroCity-Linien ausgebaut werden.
Für Deutschland muss es mittelfristiges Ziel sein, dass das Schienennetz (ca. ein Zehntel) ausreichend Kapazität aufgebaut hat, um die Straße (ca. die Hälfte) als führenden Verkehrsträger im Güterverkehr abzulösen. Besonders absurd erscheint vor dem Hintergrund, dass das deutsche Staatsunternehmen „Die Deutsche Bahn“ 2/3 ihres Gütertransports über die Straße abwickelt.
Im Personenfernverkehr muss das mittelfristige Ziel sein, dass Großstädte zu ihren Nachbarstädten min. im Stundentakt angebunden werden. Der gleiche Takt gilt für die Anbindung der Mittelzentren an ihre jeweiligen Oberzentren und Unterzentren an ihre jeweiligen Mittelzentren. Eine enge Taktung und kurze Reisezeiten bringen Regionen dichter zusammen. Wichtig für die Fahrpläne der Eisenbahnunternehmen ist an dieser Stelle auch die Taktung von Fernverkehr auf Regional- & Nahverkehr sowie schienenungebundenen ÖPNV.
Die Schiene als umweltfreundlichster Verkehrsträger ist gegenüber dem motorisierten Individualverkehr besonders subventionswürdig. Die Länder der europäischen Union sollten dementsprechend dem Beispiel von Dänemark, Irland & Großbritannien folgen und die Mehrwertsteuer für schienengebundenen Verkehr abschaffen.
Fernbusse als Alternative zur Schiene?
Der schwarz-gelben Bundesregierung haben wir eine Liberalisierung des Fernbusmarktes seit 2013 zu verdanken. Mit Versprechen eines grünen und günstigen Fernverkehrs wurde somit ein groß angelegter Angriff auf die Deutsche Bahn gestartet. Allerdings wurde schnell klar, dass das Geschäftsmodell vor allem aus Lohndumping bestand und die angenommene Auslastung bei weitem nicht erreicht wurde. er Preiskampf der Fernbusunternehmen untereinander und gegen die Deutschen Bahn wird zusätzlich durch eine gebühren- und mautfreie Nutzung von Straßen gefördert – die Nutzung der Schiene ist durch sogenannte Trassenpreise jedoch nicht kostenlos. Aus der anfänglichen Konkurrenz- und Goldgräber*innen-Stimmung auf dem Fernbusmarkt haben sich inzwischen mono- bzw. oligopole Strukturen entwickelt, die vor allem auf den rentablen Strecken zwischen Großstädten die positiven Skalen- und Netzwerkeffekte der Deutschen Bahn mindern. Hinzu kommt, dass die Umweltbilanz der Fernbusse zu keinem Zeitpunkt mit dem Schienenverkehr mithalten konnte.
Um den Karren nun wieder aus dem Dreck zu ziehen, muss auch diese umweltschädliche Bevorzugung der Fernbusse durch eine vergleichbare Straßennutzungsgebühr abgebaut werden.
Einerseits Verkehrskollaps in der Großstadt…
Unsere Mobilität steht nicht nur bei der Produktion von Treibhausgasen vor Herausforderungen. Europaweit wächst die Stadtbevölkerung während die Landbevölkerung schrumpft. Die Folge sind immer größere Städte mit immer größeren Verkehrsaufkommen. Auf der einen Seite ist die innerstädtische Fortbewegung ein Stück der lokalen Lebensqualität. Auf der anderen Seite sind Abgase, Lärm und Gefahren durch den Verkehr eine Einschränkung ebendieser. In Städten wird gerade der private PKW zum zunehmenden Problem und führt bereits heute in einigen Großstädten zum Verkehrskollaps – Stau, Unfälle und niedrige Reisegeschwindigkeit sind die Folge.
Die Zukunft der innerstädtischen Mobilität kann nicht die dritte & vierte Autospur auf den Hauptverkehrsmagistralen sein. Stattdessen werden multimodale Konzepte, die verschiedene Verkehrsträger miteinander verbinden, in den Vordergrund treten. In diesen Konzepten werden Fußgänger*innen, Fahrräder, Kleinstelektrofahrzeuge und die Elemente des öffentliche Personennahverkehr deutlich in den Vordergrund treten, sodass die Überwindung einer Strecke nicht mehr nur mit einem Verkehrsmittel bewältigt wird. Hinzu kommt eine neue Konzeption der Besitzverhältnisse. Die Rolle des eigenen Autos als Statussymbol scheint sich zu wandeln und die gemeinschaftliche Nutzung von PKW in Form von Sharing-Konzepten entwickelt sich zumindest in den Zentren unserer Großstädte zur attraktiven Alternative.
Eine Umstellung des städtischen Verkehrswesens besteht jedoch nicht nur aus dem Ausbau und der Ermöglichung multimodaler Konzepte, sondern auch in der Einschränkung des motorisierten Individualverkehrs – ein wichtiger Schritt hin zur Steigerung der Attraktivität des Stadtlebens und Erhöhung der städtischen Verkehrssicherheit.
Multimodale Sharing-Konzepte benötigen Platz in der Stadt. Sharing-Konzepte benötigen öffentlich zugängliche Stellflächen, an denen intermodale Mobilitätspunkte für den Umstieg zwischen den unterschiedlichen Verkehrsmitteln entstehen können – begleitet von einer moderaten Politik gegenüber „wild“ geparkten Leihfahrrädern oder Leihrollern. Dafür können insbesondere bisherige PKW-Parkplatzflächen umgewidmet und aufgewertet werden. Im Weiteren benötigen die neuen Verkehrsmittel Platz im alten Straßenverkehr: beidseitig befahrbare Radwege, reine Fahrradautobahnen, Busspuren, Straßenbahngleise. Zur Umsetzung dieser Konzepte muss allerdings Platz geschaffen werden – die Dominanz des PKW muss dafür aber weichen.
Gerade um größere Bauprojekte wie eine neue Straßenbahn, S-Bahn oder U-Bahn-Linie in der Stadt umzusetzen, gehen schnell Jahrzehnte ins Land. Hier müssen vereinfachte Zulassungs- und Planungsverfahren erlaubt werden, um einen schnelle Verkehrswende überhaupt erst möglich zu machen.
Auch die eingesetzten Fahrzeugtypen müssen sich im multimodalen Konzept verändern: Durch die zunehmende Präsenz von Fahrrädern & elektrischen Kleinstfahrzeugen benötigen diese selbstverständlich ausreichende Transportflächen im öffentlichen Nahverkehr.
Große Straßen für den Durchgangsverkehr müssen konsequent um die Stadt herumgeführt werden – entgegen dem häufigen Irrtum profitieren Städte durch durchfahrenden Autoverkehr weder im Bereich des Tourismus noch im Bereich des Einzelhandels. Stattdessen bleiben Abgase, Lärm und eine sinkende Lebensqualität.
Zurzeit ist das Auto mit durchschnittlich 27 km/h m Stadtverkehr noch das schnellste Verkehrsmittel und ÖPNV & Radverkehr sind mit im Schnitt 18-20 km/h spürbar langsamer bzw. weniger attraktiv. Autofahrten im Wohngebiet machen in der Regel allerdings nur einen Bruchteil der Reisestrecke aus. Eine konsequente Reduzierung der Maximalgeschwindigkeit auf 20 km/h in Wohngebieten verlängert die Reisezeit also nur unwesentlich, gleichzeitig steigt die Sicherheit und der Kraftstoffverbrauch sinkt. Außerdem wird so verhindert, dass moderne Navigationssysteme den Verkehr auf vermeintlich schnellere Routen durch Wohngebiete führen.
Je weniger Parkplätze in der Innenstadt vorhanden sind, umso mehr Menschen werden auf andere Verkehrsmittel umsteigen, um in das Stadtinnere zu gelangen. Mit einer effizienten Parkraumbewirtschaftung, Umwidmung von Stellflächen für Sharing-Konzepte, dem gezielten Rückbau von Stellplätzen und geschickten Anreizmechanismen für Bus und Bahn kann der Autoverkehr effektiv verringert werden und gleichzeitig eine Einnahmequelle für die Stadt geschaffen werden. Eine lebenswerte Stadt der Zukunft hält den motorisierten Individualverkehr soweit wie möglich aus der Stadt heraus, bei sinnvollen Ausnahmen für Liefer- & Anwohner*innenverkehr sowie Einsatzfahrzeuge.
… und andererseits fehlende Fortbewegungsmöglichkeiten auf dem Land?
Während die Großstädte mit dem Verkehrskollaps kämpfen, ist im ländlichen Raum das Auto häufig das einzige adäquate Fortbewegungsmittel. Wenn überhaupt ein Bus durchs Dorf fährt, ist dies entweder der Schulbus oder die einzige Verbindung des Tages. Besonders tragisch für jene, die kein Auto oder Führerschein haben.
Dies ist die Folge einer von der Autoindustrie getriebenen Politik der letzten Jahrzehnte: Bahnhöfe und ganze Schienenstreckenabschnitten wurden zurückgebaut und müssen jetzt mühsam wiederaufgebaut werden.
Nichtsdestotrotz greifen hier zunächst ähnliche Maßnahmen wie in der Stadt:
Ausbau der Radwege entlang der Landstraßen,
Reduzierung der Höchstgeschwindigkeiten außerorts auf 70km/h,
Umsetzung eines Tempolimits auf Autobahnen bei 130 km/h,
die Verdichtung des Nahverkehr-Taktes mit Kleinbussen oder Linientaxis,
die garantierte Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr,
multimodale Mobilitätskonzepte
Im Gegensatz zur Großstadt wird der Individualverkehr auch im ländlichen Raum weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Hier besteht die Aufgabe darin, entsprechende Infrastruktur bereitzustellen. Häufig müssen nur wenige Kilometer bzw. die „letzte Meile“ bis zur nächsten regelmäßig bedienten Haltestelle überwunden werden. Gerade außerhalb der Städte müssen Ladeinfrastrukturen für E-Mobilität geschaffen werden und am Stadtrand entsprechende Park-&-Ride-Möglichkeiten ausgebaut werden.
Wer zahlt?
Klima- und Umweltschutz können nur gelingen, wenn sie als gemeinschaftliches Ziel mit sozialer Komponente erdacht werden: die Abweichung von einer verursacher*innen-gerechten Finanzierung muss dann vertretbar sein, wenn es um gesellschaftliche Teilhabe für alle geht – unabhängig von körperlichen, finanziellen oder sonstigen Charakteristika. Während das Verursacher*innenprinzip bei der künftigen Emissionsvermeidung zentrales Element sein soll, müssen öffentlicher Nahverkehr sowie die Etablierung, Verbreitung und Nutzung von klimaneutralen in diesem Sinne staatlich unterstützt werden.
Nun besteht die Gefahr, dass bei einem besonders günstigen oder gar gebührenfreien Nahverkehr nicht nur Nutzer*innen des motorisierten Individualverkehrs den Umstieg wagen, sondern auch Fußgänger*innen und Radfahrer*innen. In Abwägung zwischen exzessiver Nutzung eines Verkehrsträgers und gesellschaftlicher Teilhabe, kann die sozialdemokratische Antwort allerdings nur auf Letzteres fallen.
Gebührenfreier oder besonders günstiger Nahverkehr kann auch Mittel sein, um auf komplexe Ticketsysteme zu verzichten. Zugangsbarrieren können dadurch abgebaut und Kostensenkungen im laufenden Geschäft von Anbietern und Betreibern reduziert werden
Im Fernverkehr sollten wir uns vom Tarifdschungel aus Sparpreis, Super Sparpreis und unterschiedlichen BahnCards verabschieden. Dies schafft ein intransparentes Preismodell, welches die empfangene Leistung kaum widerspiegelt und gerade Wenignutzer*innen abschreckt. Gleichzeitig werden beim Flexpreis schwindelerregende Höhen erreicht, die selbst für Menschen mit höherem Einkommen kaum bezahlbar sind.
Kinder sind eine gesellschaftliche Aufgabe und sollten auch im Punkt der Mobilität nicht zur Schuldenfalle für die Eltern werden: Schulpflichtige Kinder müssen generell kostenlos im Fernverkehr fahren können. Im Weiteren sollte das Preismodell im Fernverkehr bis zu einem Maximalpreis stärker an die Entfernung gekoppelt werden. Davon unbeschadet bleibt die Lenkung von Fahrgastströmen durch steigende Preise bei steigender Auslastung. Eine Unterscheidung in 1. & 2. Klasse ist in Zukunft gerade im Regionalverkehr nicht mehr notwendig.
Auch die Bundesregierung, Mitarbeiter*innen des öffentlichen Diensts oder Abgeordnete müssen die Klimaschädlichkeit ihrer Dienstreisen einschränken. Alleine die Anzahl an Dienstreisen zwischen Bonn und Berlin von Angehörigen der Bundesregierung sowie deren Beschäftigten belief sich im Jahr 2018 auf über 18.000 und kostete rund 6,2 Mio. Euro. Etwa 12.000 dieser Reisen würde mit dem Flugzeug absolviert. Innerdeutsche Reisen sollten grundsätzlich mit dem Zug erfolgen und nur im Ausnahmefall mit anderen Verkehrsmitteln.
Neue & innovative Verkehrsmittel
Elektrofahrrad, E-Scooter, Pedelec, Segway, Hoverboard, … – In den letzten Jahren sind immer neue Innovationen der Fortbewegung auf den Markt gekommen. Gemeinsam ist ihnen der problematische Umgang durch den deutschen Gesetzgeber. Waren Elektroroller zu Beginn des Jahres noch gar nicht legal einsetzbar, wurden sie im Juni vergleichsweise stark reglementiert für den deutschen Verkehrsraum zugelassen. Europaweit gibt es unterschiedliche Regelungen – Probleme & Verwirrung für Hersteller*innen und Verbraucher*innen werden so nicht ausbleiben.
So sehr eine Befreiung von der Führerscheinpflicht für die meisten dieser Elektrokleinstfahrzeuge zu begrüßen ist, umso mehr scheiden sich die Geister an der Begrenzung der Maximalgeschwindigkeit. Die maximal zulässige Höchstgeschwindigkeit wird voraussichtlich 20 km/h betragen, im Nachbarland Österreich werden es 25 km/h, in den USA sogar bis zu 32 km/h. Erscheint eine Abstufung nach Alter der*s Fahrer*in und unterschiedlichen Nutzungsorten – Fußgänger*innenzone, Fußweg, Radweg, oder Straße – sinnvoll, ist eine pauschale Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit auf 20 km/h sehr konservativ.
Um die multimodalen Verkehrskonzepte sinnvoll unterstützen zu können, wäre es besser sich an den Grenzwerten aus der USA oder zumindest unseren europäischen Nachbarn zu orientieren. Gegebenenfalls kann für das Führen von Kleinstfahrzeugen mit höheren Geschwindigkeiten zusätzlich ein Mofa-Führerschein notwendig sein. Nichtsdestotrotz werden Elektrokleinstfahrzeuge in Verbindung mit Sharing-Konzepte insbesondere für den innerstädtischen Verkehr und zur Überwindung der letzten Meile ein wichtiger Grundpfeiler bilden.
Das gute alte Fahrrad
Um den Radverkehr ansprechender zu gestalten, müssen verschiedene Maßnahmen ergriffen werden. Die Stadt und ihre Straßen müssen an das Rad angepasst werden, damit Radfahrer*innen sicher und gleichberechtigt am Verkehr teilnehmen können. In die beide Richtungen freigegebene Einbahnstraßen und Überholverbotsschilder zum Schutz von Radfahrer*innen an engen Stellen sind erste richtige Schritte. Die Kommunen müssen sich hier an neuen, wenn auch kleinen, Konzepten orientieren, wie bspw. grüne Wellen bei Ampelschaltungen angepasst auf Fahrradgeschwindigkeiten und grüne Pfeile für Radfahrerende. Insgesamt sind die Kommunen in der Pflicht einen zusammenhängenden und engmaschigen Radverkehrsplan zu erstellen.
Ein ÖPNV ist nur so gut, wie seine Einbindung von Radfahrenden. Hier gilt es nicht nur Pendler*innen-freundliche Radstellplätze an Bahnstationen zu schaffen, sondern auch eine einfache und komfortable Mitnahme zu gewährleisten, bspw. durch Multifunktionsabteile für Fahrräder, Rollstühle und Kinderwägen.
Als wichtiges Transportmittel der Zukunft, mit zunehmendem Anteil an Paket-und Logistikdiensten, sind Lastenräder eine sinnvolle Alternative. Mit zusätzlicher elektrischer Unterstützung können auch erhebliche Mengen an Gütern umweltfreundlich und platzsparend transportiert werden. Deswegen müssen nicht nur Radwege in ihrer Breite angepasst werden, sondern eine Anschaffung sollte durch entsprechende Förderprogramme vereinfacht werden.
Digital first?
Eine der größten Chancen in der Mobilität der Zukunft bildet die Digitalisierung. Multimodale Konzepte werden noch flexibler und können auf kurzzeitige Einflüsse wie Verfügbarkeitsmangel oder Streckensperrungen reagieren. Mit automatisierten Routenberechnungen kann zu jedem Zeitpunkt – unter Beachtung städtebaulicher Planungen – stets die schnellste Route gefunden werden. Eine wichtige Grundlage dazu bildet der offene Zugang zu Daten: Mobilitätsanbieter müssen dazu verpflichtet werden, Daten für entsprechendes Routing bereitzustellen.
Ein weiterer großartiger Aspekt der digitalen Mobilität bildet das autonome Fahren – sowohl im Auto als auch im Zug. Die Chancen sind riesig bzgl. Qualität, Geschwindigkeit, Sicherheit, Kosten & Verfügbarkeit. Von politischer Seite muss zügig ein gesetzlicher Rahmen geschaffen werden, der das autonome Fahren europaweit einheitlich regelt und ermöglicht. Dabei gilt es technische Möglichkeiten, Haftungsfragen und Gefahren auszuloten:
Wenn es auch häufig herangeführt wird, ist eine Aufhebung der Netzneutralität für den sicheren autonomen Verkehr in keiner Weise notwendig und bringt auch keine nennenswerten Vorteile.
Obwohl es bei komplexen Systemen schwierig ist, ist völlig klar, dass Hersteller*innen für ihre Produkte garantieren und haften müssen. Das heißt bei Unfällen müssen versagende Komponenten gefunden werden, zugehörige Hersteller*innen zur Verantwortung gezogen werden und die identifizierten Komponenten optimiert werden. In der Regel wird es dabei um fahrlässige Handlungen gehen.
Die Welt besteht nicht nur aus Trolley-Problemen. In der realen Praxis kommen sie praktisch nicht vor. Die Vorteile bei der sonstigen Unfallvermeidung überwiegen die Nichtentscheidbarkeit dieser Probleme derart, dass sie den Vormarsch der autonomen Mobilität nicht bremsen sollten.
An autonomen Fahrzeugen hängen Leben. Es handelt sich also um eine besonders kritische digitale Infrastruktur. Es ist somit gesetzlich sicherzustellen, dass gewisse IT-Sicherheitsmindeststandards eingehalten werden: von eigenen Sensoren gemessene Daten haben eine höhere Relevanz als externe empfangene Daten, Multimedia-Systeme sind von fahrzeugrelevanten Systemen strikt zu trennen, Updates dürfen nur in „sicherer“ Umgebung nach umfangreicher Testung eingespielt werden.
Trotz der großen Vorteile der digitalen Mobilität beinhaltet gerade die kaum vermeidbare Erfassung von Geo- und Bewegungsdaten im Rahmen der Digitalisierung der Mobilität große Gefahren. Faktisch wird klar, wer – wann – wo – mit wem – wie lang unterwegs war. Trotz der gegebenen Schwierigkeiten müssen Konzepte entwickelt werden, die weiterhin die anonyme, freie und unabhängige Fortbewegung durch den öffentlichen Raum ermöglichen – nur die Codierung mit einem Pseudonym bringt hier keine Vorteile. Unterstützend wirken dabei Abo- oder Flatrate-Modelle, da so keine zeitscharfe Abrechnung von Mobilitätsleistungen notwendig wird. Wichtig ist nur, wo sich die jeweiligen Fahrzeuge befinden und ob sie gerade verliehen sind. Nicht relevant ist, wer sie benutzt hat – es erfolgt also keine Personenprüfungen, sondern eine Berechtigungsprüfung.
Fazit
Unsere Mobilität wächst und sie steht vor Herausforderungen – allerdings sind diese lösbar! Die Zukunft der klimaneutralen Mobilität baut auf gemeinsam genutzten Verkehrsmitteln und gesellschaftlicher Teilhabe auf – gemeinsam klassisch in Bus und Bahn oder modern durch Sharing-Konzepte.
Folgende Ziele & Maßnahmen müssen zwingend Teil eines Konzepts für die Mobilität der Zukunft sein:
Klimaneutrale Mobilität,
Verursacher*innengerechte Abgabe für Schadstoff Emittenten,
Verhinderungen zusätzlicher Versiegelung durch Verkehr, Freigabe von Versiegelung durch den Rückbau von Straßen bzw. effizientere Nutzung von versiegelten Flächen von gemeinschaftlich genutzten Verkehrsträgern, insbesondere durch Schienenverkehr,
Förderung & Ausbau europaweiter Mobilität, insbesondere im Schienenverkehr
Straßennutzungsgebühren für Fernbusse,
Rückbau von direkten und indirekten klimaschädlichen Subventionen,
Finanzielle Ausstattung und Förderung von multimodalen Verkehrskonzepten,
die Verringerung des Vekehrsraums für den motorisierten Individualverkehrs zu Gunsten von anderen Verkehrsträgern und Sharing-Konzepten,
Anbindung des ländlichen Raums, in Verbindung mit großflächigen & grenzüberschreitenden Verkehrsverbünden
Sozialer Ausgleich und transparente Preissysteme für Personenverkehr,
Liberale Förderung & Zulassung von innovativen Verkehrsträgern, wie zurzeit Elektrokleinstfahrzeuge,
Schaffung eines gesellschaftlichen, technologischen & rechtlichen Rahmen für autonome Fahrzeuge und
Sicherung der anonymen, freien und unabhängigen Fortbewegung in der digitalisierten Welt.

Beschluss-PDF: