BE-02 Gute Schule braucht mehr Lehrerstellen, eine klügere Lehramtsausbildung und attraktive Arbeitsbedingungen

Status:
Annahme

Das sächsische Schulsystem verliert seine Leistungsfähigkeit. Die Auswirkungen des vor Jahren von der CDU/FDP-Regierung verursachten Lehrkräftemangels werden inzwischen flächendeckend spürbar. Mit Regierungsantritt der SPD im Jahr 2014 ist es zwar an vielen Stellen gelungen, Schritte zur Verbesserung der Situation zu erreichen. Diese reichen jedoch noch nicht aus. Die SPD Sachsen setzt sich weiter für mehr Lehrerstellen, für eine verbesserte und finanziell abgesicherte Lehramtsausbildung sowie für eine Steigerung der Attraktivität des Lehrerberufes ein.

 

 

  1. A) STELLENSITUATION

 

Die Planungen der CDU/FDP-Regierung (2009 bis 2014) sahen einen landesweiten Stellenabbau im öffentlichen Dienst des Freistaates Sachsen vor, der auch vor den Schulen unseres Landes nicht haltmachte. Bis zum Schuljahr 2020/21 sollte sich die Zahl der Lehrkräfte von rund 28.000 auf rund 25.000 verringern. An diesem Abbauplan hielt Schwarz-Gelb bis zum Ende der Wahlperiode fest, obwohl die Zahl der geborenen Kinder seit 2009/10 wieder anstieg. Spätestens ab dem Doppelhaushalt 2011/12 hätte Schwarz-Gelb umsteuern und die Zahl der Stellen wieder erhöhen müssen.

 

Erst mit Regierungsbeteiligung der SPD im Jahr 2014 ist es gelungen, das Ruder herumzureißen:

Mit dem Koalitionsvertrag wurde vereinbart, alle freiwerdenden Lehrerstellen unbefristet wiederzubesetzen und 1.000 zusätzliche Stellen einzurichten. Mit den Doppelhaushalten 2015/16 und 2017/18 haben wir über diese Vereinbarung hinaus weitere Stellen erkämpft. Bis zum Schuljahr 2020/21 wird die Zahl der unbefristet beschäftigten Lehrkräfte im Freistaat Sachsen so auf 30.400 steigen – das sind 1.400 mehr als in den Koalitionsverhandlungen vereinbart und 5.000 mehr, als von der CDU/FDP-Vorgängerregierung geplant.

 

Doch die Zahl der Stellen ist noch nicht ausreichend. Die Lehrerbedarfsplanung des Sächsischen Kultusministeriums ist zu niedrig berechnet. Viele Stunden im Ergänzungsbereich und notwendige Spielräume für mehr Anrechnungsstunden beispielsweise für Klassenleitertätigkeit, für Inklusion oder für besondere Herausforderungen in einkommensschwachen Sozialräumen fehlen völlig. Die SPD Sachsen setzt sich daher weiterhin für eine deutliche Erhöhung der Stellenzahl ein.

 

 

  1. B) ZUKUNFT DER LEHRAMTSAUSBILDUNG

 

Bundesweit wird derzeit ein Mangel an Lehrkräften beklagt. Weil es nicht genügend ausgebildete Lehrkräfte gibt, werden Seiteneinsteiger eingestellt. Aber ein guter Teil des Nachwuchsmangels ist in Sachsen hausgemacht. Bereits im Jahr 2003 beschloss die damalige CDU-Alleinregierung, dass die Ausbildung für Grund- und Oberschullehrer an der Universität Leipzig konzentriert werden soll. Auch wenn es uns in unserer ersten Regierungsbeteiligung von 2004 bis 2009 gelungen ist, das Aus für diese Schularten an der TU Dresden zu verhindern, wurden ab dem Jahr 2010 keine Lehramtsstudierenden für diese Schularten mehr in Dresden zugelassen. Heute – sieben Jahre später – werden die Auswirkungen überdeutlich:  Wir haben den größten Mangel an Absolventen und an unseren Schulen genau bei den Grund- und Oberschullehrern.

 

Die fehlende Kontinuität im sächsischen Lehramtsstudium entpuppt sich heute als zusätzliche Hypothek: Zwar haben wir in unserer Regierungszeit 2006 die deutschlandweite Umstellung des Lehramtsstudiums auf das Bachelor-Master-System vollzogen. Alle Lehrämter hatten nun die gleiche Studiendauer von 5 Jahren, so dass auch eine wichtige Voraussetzung für die gleiche Bezahlung geschaffen war. Doch bereits 2012 machte die CDU/FDP-Regierung alles rückgängig und führte das Staatsexamen mit unterschiedlichen Ausbildungszeiten wieder ein. Der Vorbereitungsdienst wurde erst auf ein Jahr – bundesweit einmalig –  verkürzt, dann wieder verlängert; Referendare fanden trotz ausgezeichneter Examensnoten keine Beschäftigung in Sachsen, da die Referendariatsplätze 2008 noch einmal deutlich verringert wurden. Dies alles führte dazu, dass die Zahl der Absolventen von 1.230 im Jahr 2009, dem Ende unserer Regierungszeit, auf 818 im Jahr 2014, dem Ende der schwarz-gelben Regierungszeit zurückging. Doch selbst diese geringere Zahl an Absolventen fand überwiegend keine Anstellung in Sachsen.

 

Im Jahr 2011 standen in ganz Sachsen nur rund 1.000 Studienplätze für die Lehramtsausbildung zur Verfügung, davon der allergrößte Teil in Leipzig (Grundschulen, Oberschulen, Gymnasien, Sonderpädagogik), ein geringerer Teil in Dresden (Gymnasien, Berufsbildende Schulen) und bereits seit 1997 keine mehr in Chemnitz. Inzwischen haben wir die sachsenweite Zahl der Studienplätze auf insgesamt 2.045 erhöht, weitere 375 Plätze werden zum jetzt beginnenden Wintersemester 2017/18 folgen. Demnach stehen über 2.400 Studienplätze im Lehramt an den Standorten Chemnitz, Dresden und Leipzig zur Verfügung. Und auch beim Referendariat, das jahrelang das Nadelöhr zum Lehrerberuf war, haben wir gehandelt: Die Zahl der Plätze im Vorbereitungsdienst stieg

von 1.127 im Schuljahr 2010/2011 auf nunmehr 2.050 im Schuljahr 2017/18.

 

Die Lehramtsausbildung braucht Ressourcenkontinuität. Die SPD Sachsen setzt sich weiterhin dafür ein, dass die Ausbildung von Lehrkräften an allen drei sächsischen Universitätsstandorten gesichert ist. Das Grundschullehramt an der TU Chemnitz muss dauerhaft eingerichtet werden. Sachsen braucht diese flächendeckende Ausbildung, um genügend Lehrernachwuchs zu gewinnen. Für die Ausbildung müssen zusätzliche Dauerstellen an den Universitäten geschaffen werden. Eine Schwankung in den Ausbildungskapazitäten darf künftig kein Infragestellen eines Ausbildungsstandortes mehr nach sich ziehen. Vielmehr müssen wir auch neue Wege der Kooperation gehen, um Bedarfe in den Regionen decken zu können. So sollte die Kooperation zwischen den Fachhochschulen und der TU Dresden beim Berufsschullehramt nach einer positiven Evaluierung ausgeweitet werden.

 

Die starre Schulartbezogenheit des Staatsexamens tut in Sachsen ihr Übriges, um eine bedarfsgerechte Ausbildung zu erschweren. Solange in Studienzeit und Vergütung zwischen dem gehobenen und dem höheren Lehramt differenziert wird, werden junge Menschen im Zweifel dem Gymnasialstudium den Vorrang vor der Grund- und der Oberschulausbildung geben. Denn ein Gymnasiallehrer kann schulartfremd auch an einer Grund- oder Oberschule eingesetzt werden, ein Oberschullehrer jedoch nicht an einem Gymnasium.

Die Stufenausbildung würde aber nicht nur den schulartübergreifenden Einsatz von Lehrkräften ermöglichen. Sie ist auch bestens geeignet, ein ganzheitliches Bildungsverständnis zu entwickeln und Lehrkräfte besser für den binnendifferenzierten Unterricht zu rüsten. Mit einer Primarstufenausbildung, die in einem Fach bis zur Klasse 10 geführt wird, würde sich auch für die Studienstandorte – und insbesondere für die TU Chemnitz – ein Weg zur umfassenderen Lehramtsausbildung eröffnen, welcher die Ressourcen der jeweiligen Universitätsstandorte anerkennt und effizient nutzt.

 

Mit der Umstellung auf das Bachelor-Master-System hatte die SPD in Sachsen die Voraussetzungen dafür geschaffen, in eine flexiblere Lehramtsausbildung einzusteigen, die auch eine gute Basis für den Seiteneinstieg hätte sein können. Diese Reformbemühungen hatte die schwarz-gelbe Regierung mit ihrer Rückwärtsrolle zum Staatsexamen im Jahr 2012 gestoppt. Eine neuerliche Kehrtwende wäre heute nicht hilfreich, eben weil auch die Hochschulen zur Sicherung der Qualität der Ausbildung Kontinuität brauchen. Doch eine inhaltliche Flexibilisierung hin zur Stufenausbildung und damit hin zu einer stärkeren Durchlässigkeit zwischen den Schularten ist auch im Staatsexamens-System möglich.

 

Die SPD Sachsen setzt sich dafür ein, mehr Wege zum Lehrerberuf zu eröffnen. Mit der schrittweisen Einführung einer stufenbezogenen Ausbildung (vgl. hierzu Beschluss B 03 „Lehrerversorgung in Sachsen“ des Landesparteitages der SPD Sachsen vom Oktober 2016 in Chemnitz, www.spd-sachsen.de/wp-content/uploads/2016/11/
B_B03-Lehrerversorgung-in-Sachsen.pdf
) wollen wir die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Sachsens Lehrkräfte künftig nicht nur einheitlich bezahlt werden, sondern auch, dass das sächsische Schulsystem insgesamt viel flexibler auf Bedarfsschwankungen reagieren kann und für eine Zukunft gerüstet ist. So lassen sich die derzeitige strenge Trennung der Schularten überwinden und unsere Lehrer auf inklusives und binnendifferenziertes Lernen vorbereiten. Gleichzeitig braucht es attraktive und gleichrangige Angebote für Hochschulabsolventen, die nach einem Fachstudium und/oder beruflicher Praxis den Lehrerberuf ergreifen wollen, beispielsweise bildungswissenschaftliche Masterstudiengänge, verbunden mit einer fachdidaktischen Ausbildung.

  1. C) ATTRAKTIVE ARBEITSBEDINGUNGEN

 

Neue Lehrkräfte wird der Freistaat Sachsen mittelfristig vor allem dann gewinnen, wenn er die Attraktivität des Arbeitsplatzes Schule steigert. Dabei geht es nicht nur und nicht einmal vorrangig um monetäre Aspekte. Sachsen hat vor allem Nachholbedarf bei der Anerkennung und Wertschätzung der Leistungen, die unsere Lehrkräfte tagtäglich erbringen. Dazu gehört ganz entscheidend, welchen Verantwortungsspielraum Lehrer vor Ort ausfüllen können, wie starr die staatlichen Vorgaben sind – oder andersherum, wieviel Vertrauen wir den Lehrkräften entgegenbringen und wie wir ihnen ermöglichen, ihrem Berufsethos folgen zu können. Dazu gehört auch, den Lehrern weitere Professionen zur Seite zu stellen, die für die heutigen und künftigen Schulen unerlässlich sind. Es geht also darum, den heute eher belasteten Lehrerberuf in einen attraktiven zu wandeln.

 

Mit dem Lehrermaßnahmepaket vom Oktober 2016 ist es in manchen Bereichen gelungen, notwendige Verbesserungen zu erreichen: Das Regelstundenmaß der Grundschullehrkräfte wurde reduziert. Die Anerkennung der Arbeit von Lehrkräften mit DDR-Ausbildung wurde verbessert. Mit einer zusätzlichen Anrechnungsstunde haben lebensältere Lehrkräfte eine Erleichterung erhalten. Und innerhalb der engen Grenzen des für Sachsen unseligen bundesweiten Lehrertarifvertrages wurde endlich die umfassende Nutzung von Zulagen zum Ausgleich von Nachteilen und Belastungen ermöglicht.

 

Mit der Novellierung des Schulgesetzes ist es uns außerdem gelungen, neue Perspektiven für die Entwicklung des sächsischen Schulsystems zu eröffnen: Ein Konzept zur schrittweisen Entwicklung multiprofessioneller Teams an Schulen ebnet den Weg zu mehr Inklusion. Die Ausstattung jeder Oberschule mit verlässlichen Ressourcen zur Schulsozialarbeit und zur Berufsorientierung unterstützt gerade die Schulart, die vor besonders großen Herausforderungen steht. Und die Stärkung der Entscheidungsspielräume jeder einzelnen Schule und ihres Schulträgers werden dazu beitragen, dass der Lehrerberuf auch inhaltlich mehr Anerkennung erfährt und dass pädagogische Ideen und Konzepte den Vorrang vor verwaltungstechnischen Fragen erlangen werden – auch wenn hier noch viel zu tun bleibt.

 

Doch zu attraktiven Arbeitsbedingungen, auch im Wettbewerb mit anderen Bundesländern, gehören auch „harte“ Faktoren wie Geld und Zeit. Deshalb setzt sich die SPD weiterhin dafür ein, dass der Freistaat Sachsen mit den Lehrergewerkschaften einen Landestarifvertrag abschließt. Genauso wichtig ist es uns, die Lehrerbedarfsplanung darauf auszurichten, dass es möglich sein wird, das Regelstundenmaß der Lehrkräfte zu reduzieren und die Klassengrößen zu verringern. Bildung braucht Zeit – und zwar bei Lehrkräften wie Schülerinnen und Schülern gleichermaßen. Wir drängen weiter darauf, die Lehrpläne zu modifizieren und stofflich den Schulen mehr Spielräume zu geben, die Zahl der erforderlichen Klausuren, Leistungsfeststellungen und Prüfungen zu verringern und generell die Leistungsrückmeldungen an die Lernenden moderner zu gestalten. Die Gesellschaft der Zukunft braucht eine Schule der Zukunft – eine Schule, die unsere Pädagogen gestalten können, wenn sie die dafür notwendige Zeit und die nötigen Gestaltungsräume haben.

Beschluss: mehrheitlich angenommen
Beschluss-PDF: