ÄA zum In-1

Status:
Annahme

Der Antrag In-1 wird ersetzt durch:

Die Jusos Sachsen mögen beschließen und an die SPD-Landtagsfraktion weiterleiten:

Ja, wir haben in Sachsen ein Sicherheitsproblem: Die sächsische Polizei. Mit der geplanten Novellierung des Polizeigesetzes in Sachsen zeichnet sich die Einschränkung zentraler Grundrechte ab. Es droht eine massive Ausweitung der Überwachungs- und Zugriffsbefugnisse der Polizei, ohne dass sich eine wesentliche Verbesserung der Kontrolle von Sicherheitsbehörden abzeichnet.

Sollte die Gesetzesnovelle in ihrer aktuellen Fassung in Kraft treten, wäre eine nahezu lückenlose Überwachung der Bürger*innen die Folge. Der Entwurf sieht neben der Aufrüstung der Polizei mit Militärgerät, eine Erweiterung der Telekommunikationsüberwachung, Ausweitungen von präventiven Sanktionen gegen sogenannte “Gefährder*innen” und deren “Kontaktpersonen” sowie die Nutzung intelligenter Videoüberwachungssysteme ohne richterliche Erlaubnis vor. Dabei handelt es sich um schwerwiegende Eingriffe, die wir Jusos nicht dulden werden!

Als eigenständiger politischer Jugendverband haben wir uns deshalb dem landesweiten Bündnis ‘Polizeigesetz_stoppen!’ angeschlossen und bringen uns aktiv in die Bündnisarbeit ein.

Angst ist keine gute Ratgeberin. Anstatt einer massiven Aufrüstung der Sächsischen Polizei, die bereits 2017 mit neuen Einsatzfahrzeugen wie dem Survivor  begann, und einer Ausweitung der Befugnisse, wollen wir Jusos vielmehr eine bürgernahe, transparent arbeitende und durch das Parlament sowie unabhängige Beschwerdestellen für Bürger*innen arbeitende Polizei. Wir wollen eine Polizei, welche einen Fokus auf eine funktionierende integrative Polizeiarbeit legt. Egal ob mit oder ohne Poldi dem Polizeidinosaurier.

Uns ist dabei klar, dass das sächsische Polizeigesetz eine Novelle benötigt. Die derzeitige Fassung aus dem Jahr 1999 kann nicht mehr Schritt halten mit einigen aktuellen Gegebenheiten. Die im Gesetzesentwurf angedachten Veränderungen sehen wir allerdings aufgrund einer Vielzahl von geplanten Kompetenzerweiterungen, die teils weit in das Vorfeld einer konkreten Gefahr reichen, äußerst kritisch. Als Jusos Sachsen fordern wir die SPD Fraktion im Sächsischen Landtag auf, sich für folgende Punkte im weiteren Gesetzgebungsverfahren einzusetzen:

  • keine Ausweitung der Überwachungs- und Eingriffskompetenzen bei nur abstrakten Gefahrenlagen
  • keine Ausweitung der Überwachung von Telekommunikationsdaten
  • keine Einführung der Quellen-TKÜ
  • keine niedrigschwelligen Regularien für die Einrichtung von Alkoholverbotszonen; gegen deren flächendeckende und willkürliche Ausweitung
  • keine Aufrüstung der Polizei mit militärischen Geräten wie Maschinengewehren oder Handgranaten
  • Rückbau, anstatt Ausweitung einer, sogar automatisierten, Videoüberwachung im öffentlichen Raum
  • keine Aufweichung des Aussageverweigerungsrechts
  • keine Verschärfung der Ingewahrsamsnehmung zur Identitätsfeststellung
  • die Ablehnung der Ausrüstung mit und der Einsatz von Bodycams wie vom Koalitionspartner CDU gefordert
  • die Ablehnung der Verwendung von elektronischen Fußfesseln zur präventiven Überwachung
  • eine namentliche oder alphanumerische Kennzeichnungspflicht für Polizist*innen
  • eine Fokussierung auf eine integrative Polizeiarbeit
  • ein gesetzliches Verbot von Pfefferspray (“Tierabwehrspray”) für Einsatzkräfte und Zivilist*innen, da dies als Chemische Kriegswaffe[1] gelistet ist
  • Eine echte unabhängige Beschwerdestelle mit eigenen Ermittlungskompetenzen, welchen nicht bei der Polizei oder dem SMI angegliedert ist
  • Eine*n Polizeibeauftragte*n im Sächsischen Landtag, nach dem Modell des Wehrbeauftragten im Bundestag

Sollten diese Punkte nicht im Gesetz verankert werden, fordern wie die SPD-Fraktion auf, sich der Beschlussnahme des Gesetzes zu verweigern. Die angedachten Verschärfungen im Gesetz widersprechen eklatant einer aufgeklärten Sozialdemokratie welche die Rechte und Freiheiten der Bürger*innen schützen möchte. Der Gesetzentwurf ist in der aktuellen Fassung und den derzeit verfügbaren Informationen über das Begehren der CDU weitere Punkte in das Gesetz zu verhandeln eine schlechte Balance zwischen Freiheit und Sicherheit. Die sächsische Polizei ist kritisch zu betrachten und benötigt keine weiteren Gesetzesänderungen und Befugnisse. Bereits mit den derzeitigen Instrumenten, ist die sächsische Polizei in der Lage Gefahren zu bewältigen. Wir sehen keinen Grund, eine unverhältnismäßige Gesetzesänderung als unterstützenswert anzusehen.

Doch neben der drohenden Ausweitung der Befugnisse weit in das Vorfeld einer möglichen Straftat oder Gefahr gibt es ein weiteres massives Problem – den unkritischen Geist in kritischen Corps! Solange in den Reihen der Sächsischen Polizei rechten Gedankengut gefrönt werden kann ohne gravierende Konsequenzen fürchten zu müssen und auch Kontakte zur rechten Szene gepflegt und Informationen weitergetragen werden können, bestehen eklatante Gefahren für eine demokratische und engagierte Gesellschaft. Denn diese sieht sich dann mit Repressionen und rechte Angriffe konfrontiert, welche durch die Sächsische Polizei gedeckt wird.

Wir wollen eine integrativ-angelegte Polizeiarbeit und Polizist*innen, welche nicht von Überstunden und den massiven Mangel an Kolleg*innen geplagt sind. Die angedachte Novelle wird dieses Ziel nicht erreichen. Die derzeit geplante Fassung des PolG wird nur für noch mehr Skepsis und Misstrauen gegenüber den Polizist*innen sorgen und die Bevölkerung verunsichern. Wir wollen aber hingegen eine aufgeklärte, vertrauenswürdige und sichere Polizei.

[1]    Protokoll über das Verbot der Verwendung von erstickenden, giftigen oder ähnlichen Gasen sowie von bakteriologischen Mitteln im Kriege, kurz Genfer Protokoll, „gegenüber Angehörigen gegnerischer Streitkräfte“ verboten. Die Ausnahme, dass Polizeikräfte sowie Feldjäger*innen der Bundeswehr Pfefferspray nutzen erfolgt durch Ausnahmegenehmigung der zuständigen Ministerien.

Begründung:
Seit vielen Jahren ist eine Gesetzesänderung im Bereich der Polizeiarbeit angedacht und auch uns ist bewusst, dass das Gesetz an die aktuelle Zeit angepasst werden muss. Für eine offene und demokratisch agierende Gesellschaft ist eine bürgernahe Polizei unerlässlich, die mit Augenmaß und Sachverstand Konflikte moderiert und nur als letztes Mittel sanktionierend einschreitet. Die ihr zur Verfügung stehenden Kompetenzen und Möglichkeiten müssen dabei wiederkehrend in dem Spannungsverhältnis zwischen Freiheitsgrundrechten und Sicherheitsinteresse austariert werden, wobei in einer freiheitlichen Gesellschaft diese Entscheidung im Zweifel immer gegen ,unnötige, Ausweitungen von staatlichen Eingriffsbefugnissen und für den Schutz von Individualrechten der Bürger*innen ausfallen sollte. In § 2 Abs. 1 des neues SächsPolG soll es u.a. heißen: “ Die Polizei hat die Aufgabe, Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren (Gefahrenabwehr). Sie schützt die freiheitlich demokratische Grundordnung und gewährleistet die ungehinderte Ausübung der Grundrechte und der staatsbürgerlichen Rechte.” Dieser Satz sollte Leitmotiv der sächsischen Polizeiarbeit sein und nicht Feigenblatt für nachherig formulierte Aufweichungen eines demokratischen Freiheitsanspruchs. Polizeiliches Handeln initiiert sich an einem klaren Punkt: der Gefahr für ein polizeiliches Schutzgut, der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung. Grundsätzlich muss gelten, je gravierender ein Eingriff für den Betroffenen durch polizeiliches Handeln ist, desto größer muss die Wahrscheinlichkeit und/oder die Schwere der Verletzung eines Schutzgutes sein und/oder diese Verletzung zeitlich sehr nah eintreten. Die bisher gesicherten Informationen über die Auswirkungen der Neufassung des sächsischen Polizeigesetz auf die künftige Polizeiarbeit im Freistaat und für die von dieser betroffenen Bürger*innen lassen uns jedoch erschaudern. Neben einer notwendigen Aktualisierung und Anpassung des gesetzlichen Rahmens für die Polizeiarbeit sieht die Gesetzesnovelle eine massive Ausweitung von polizeilichen Überwachungs- und Repressionsmaßnahmen vor, bis weit in das Vorfeld von möglichen Straftaten. Mit diesen Ausweitungen sind jedoch keinesfalls höhere Anforderungen an die den Eingriff rechtfertigenden Tatsachen verbunden, sondern sollen im Gegenteil teils gleichbleibend niederschwellig oder sogar noch geringer im Hinblick auf eine Gefahr. werden. Hiermit verbunden ist auch die wachsende Bedeutung des Gefährder-Begriffes, bei dem Fälle in der Vergangenheit bereits aufzeigen, dass manchmal die vermeintlich “falschen” Hobbys oder Kontakte genügen, damit der Einzelne Ziel staatlicher Freiheitssanktionierungen wie Meldeauflagen oder dem Tragen einer elektronischen Fußfessel werden kann. Neben einer wachsenden Bedeutung nur diffuser Handlungsanlässe bereitet uns aber auch der zunehmende Ausbau von Überwachungsbefugnissen Sorge. So können wir bspw. nicht weiter hinnehmen, dass eine vollständige Videoüberwachung im öffentlichen Raum stattfindet, die Polizei vorrauseilend aktiv werden kann und all dies automatisiert abläuft. Das neue SächsPolG hält jedoch nicht nur für direkt von einer polizeilichen Maßnahme Betroffene ungute Entwicklungen bereit. Auch Menschen, die in ihrer Profession besonders verantwortungs- und vertrauensvolle sowie daraus resultierend auch schutzwürdige Beziehungen zu Klient*innen aufbauen, sind von dem vorauseilenden Gehorsam betroffen, in dessen Dienst sich die Novelle à la Sicherheitsgesellschaft stellt. Denn bestimmte Berufsgruppen, wie Journalist*innen, Mitarbeiter*innen von Beratungsstellen u.a., sollen weitreichende Auskünfte erteilen müssen, wenn die Gefahr nach Einschätzung der Polizei besonders groß ist. Diese Berufsgruppen sollen sogar allein aufgrund ihres Kontaktes zu den Betroffenen Überwachungsmaßnahmen ausgesetzt sein sollen. Diese Entwicklung gilt es schon deshalb entgegen zu treten, weil bereits der Bundesgesetzgeber in der Strafprozessordnung die besondere Schutzwürdigkeit dieser Vertrauensbeziehungen erkannt hat und Aussageverweigerungsrechte normierte! Diese Menschen dürfen in ihrer Arbeit nicht dazu benutzt werden, polizeiliche Maßnahmen Effektivität zu verleihen. Polizeiliche Aufgabenerfüllung soll der Gesellschaft dienen. Dazu gehört für uns, dass Polizeibeamt*innen ebenso Menschen statt “Robo-Cops” und vertrauenswürdig sind. Das schafft Transparenz, Akzeptanz, Anerkennung und Unterstützung. Damit verbunden muss aber auch ein Anspruch innerhalb der Polizei sein, Fehlhandlungen einzugestehen, aufzuklären und auch möglicherweise zu sanktionieren. Zu einer guten polizeilichen Ausbildung gehört für uns auch die weitergehende Bildung und Sensibilisierung der Polizeibeamt*innen in Sachen rechten Gedankengutes und Ausgrenzungsgefahren in eigenen Dienststrukturen. Den Freistaat Sachsen trifft als Dienstherr von derzeit ca. 11.000 Polizeibediensteten eine Fürsorgepflicht. Diese wurde - und wird von der CDU noch - oft als eines der Hauptargumente gegen die Einführung einer Kennzeichnungspflicht von Beamt*innen angeführt. Eine alphanumerische (!) Kennzeichnung gefährdet die Beamt*innen aber nicht, sondern schafft eine Individualisierung und die so oft vermisste “Bürgernähe”. Deren Wirkung sollte gerade in aufgeladenen Konfliktsituationen nicht unterschätzt werden, wird dem Gegenüber hierdurch doch das Gefühl, einer Person gegenüber zu stehen vermittelt, nicht einer verschlossenen Gruppe, deren Maßnahmen er “ausgeliefert” zu sein scheint. Unser Fazit bleibt: Wir wollen kein PAG[1]-light in Sachsen! [1] PAG - Polizeiaufgabengesetz in Bayern